Zusammenfassung: Klima-Skeptizismus und Klima-Moralismus

Eine Ethik des Anthropozäns muss immer auch die Art und Weise reflektieren, wie wir (normativ und moralisch) über das Anthropozän reden. Wie aber können wir eine solche Metaethik des Anthropozäns verstehen? Angesichts der Problematik des Anthropozäns existieren zwei entgegengesetzte Positionen, die wir als Klima-Skeptizismus und Klima-Moralismus charakterisieren können. Beide Positionen lassen sich dahingehend kritisieren, dass sie sie für eine Ethik des Anthropozäns unzuträglich sind und einen gelungenen Diskurs verhindern, insofern sie entweder die Problematik des Anthropozäns verharmlosen oder aber derart übertreiben, dass der philosophische Diskurs darüber polarisiert wird.

Auf Seite der Klimawandel-Skeptiker oder Klimawandel-Leugner lassen sich folgende Positionen und Argumentationsstrategien und –Hinsichten weiter unterscheiden:

(1) begrifflich/ontologisch: Wir müssen Klimawandel und Klimawechsel unterscheiden. Auf kurze zeitliche Distanz glauben wir, es mit einem gänzlichen Wandel des Klimas zu tun zu haben, der anthropogene Gründe haben kann, global gesehen handelt es sich jedoch nur um normale Abweichungen, für die der Mensch keine Ursache trägt.

(2) epistemisch: Es gibt den Klimawandel, doch können nicht wissen, ob der Klimawandel tatsächlich anthropogen bedingt ist, oder andere Ursachen hat.

(3) ökonomisch: Selbst wenn der Klimawandel anthropogen bedingt ist, sollten wir nicht darauf reagieren, da der dafür erforderliche Aufwand relativ gesehen viel zu groß wäre und z.B. viele Millionen Arbeitsplätze kosten würde. Die Auswirkungen des Klimawandels sind zu gering, um unsere Gesellschaft dafür aufs Spiel zu setzen.

(3*) ökonomisch*: Der Klimawandel ist, egal oder anthropogen oder nicht, positiv zu beurteilen, da dadurch weniger Energie für die Wärme benötigt wird und mehr Energie gewonnen werden kann.

(4) verschwörungstheoretisch und wissenschaftsskeptisch: Die These des anthropogenen Klimawandels ist eine bloße Ideologie, hinter der sich bestimmte Machtinteressen verbergen. Die dafür argumentierenden Wissenschaftler sind nicht seriös, bzw. es gibt genügend Wissenschaftler, die gegen den anthropogenen Klimawandel argumentieren.

(5) fatalistisch: Der Klimawandel, ob anthropogen oder nicht, lässt sich beim besten Willen nicht mehr aufhalten, so dass wir mit ihm leben müssen, sowohl in individueller als auch in globaler Hinsicht.

Auf Seiten der Klima-Moralisten entsteht das Problem, dass moralische Maßstäbe auf scheinbar neutrale und moral-indifferente lebensweltliche Bereiche angewendet werden, wo man sie normalerweise gar nicht erwartet: „Auch gegenüber zeitgenössischen zivilgesellschaftlichen Bewegungen, die ihre – berechtigten – moralischen Anliegen mittels Ausdrücken wie ‚Flugscham‘ oder ‚Klimasünde‘ in moralische Betroffenheit zu transformieren wissen, wird ein solcher Moralismus-Vorwurf laut. Und angesichts der Fülle von Nachweisen, Labels und Zertifizierungen (vegan, fair trade, regional, bio, fair wear, Ökostrom, CO2-neutral etc.), die der Konsumgesellschaft die moralische Dimension ihrer alltäglichen Entscheidungen ständig vor Augen führen, kann man vielleicht auch eine zunehmende Moralisierung der Lebenswelt konstatieren – etwa in den Bereichen Essen, Bekleidung oder Mobilität.“ (Neuhäuser 2020, 14) Der Klima-Moralismus ist jedoch nicht darin problematisch, dass er alltägliche, scheinbar neutrale, Praktiken als moralisch relevant ansieht. Dies scheint unumgänglich zu sein, wenn man das Anthropozän als Phänomen akzeptiert. Vielmehr besteht die Problematik des Klima-Moralismus darin, dass ein moralischer Diskurs verhindert wird. Denn die klima-moralistisch kritisierte Seite wird versuchen, ihre eigenen Handlungen entweder zu verteidigen, zu rechtfertigen, oder aber diejenige Person, die einen klima-moralistischen Vorwurf erhoben hat, desselben Vergehens umgekehrt zu bezichtigen, nach dem Motto: „Du auch! (lat. „tu quoque“) Der klimaethische Diskurs wird durch derartige gegenseitige Schuldzuschreibungen radikalisiert und keiner Problemlösung zugeführt. Insofern bietet es sich an, den klimaethischen Diskurs nicht durch gegenseitige (destruktive) Schuldzuschreibungen und Vorwürfe zu dominieren, sondern vielmehr durch konstruktive Initiativen zu transformieren, die partizipativ sind.