Platons Theorie der Wahrheit

Platons Theorie der Wahrheit lässt sich nicht ohne weiteres klassifizieren: Vertritt er eine Korrespondenz-, Kohärenz, oder eine Evidenztheorie der Wahrheit? In seinen drei berühmten Gleichnissen – dem Höhlen-, Sonnen- und Liniengleichnis – hat Platon eine bildhafte Darstellung der Erkenntnis der Wahrheit gegeben.

Das erkennende Subjekt wird in seinem Aufstieg (gr. anábasis) vom Irrtum zur Erkenntnis betrachtet. Der Mensch ist nach Platons Höhlengleichnis anfangs in einer Situation gefangen, die einer völligen Verblendung entspricht. Die Höhlenbewohner sehen nur Schattenbilder und halten diese für die wirklichen Dinge. Platon beschreibt dann die „Lösung und Heilung von ihren Banden und ihrem Unverstande“: Die Menschen werden „entfesselt“ und „gezwungen“, sich umzuwenden und die wahren Dinge zu sehen, von denen sie zuvor nur Schattenbilder wahrnahmen. Den Effekt dieser Umkehr von der bloßen Meinung zum Wissen beschreibt Platon als äußerst schmerzhaft. Doch damit nicht genug. In Platons Gleichnis werden die Höhlenmenschen noch weiter, bis ans Tageslicht hinauf gezerrt, so dass sie erst nach langer Gewöhnung die Dinge oder gar die Sonne wahrnehmen können. Deutlich wird in diesem Gleichnis, dass Wahrheit nicht als etwas Gegenständliches gedacht werden kann, das ‚frei Haus‘ geliefert wird. Vielmehr ist Wahrheit immer ein Vollzug des Subjekts, der nur durch Überwindung von Widerständen, in einem schmerzhaften Prozess, erreicht werden kann. Dazu kommt, dass Wahrheitsfindung eines äußeren Antriebs oder Anstoßes zu bedürfen scheint. Man kann sich nach Platon die Erkenntnis der Wahrheit deshalb im Sinne eines Geburtsvorgangs vorstellen. Platon hat dies als die sog. „Mäeutik“ oder auch „Hebammenkunst“ bezeichnet: Sokrates teilt nicht einfach den Menschen die Wahrheit mit, sondern leistet durch seine Fragen nur Hilfestellung, damit die Menschen am Ende selbst zur Einsicht gelangen. Der Erkenntnisvorgang erweist sich damit als Befreiungsvorgang vom Irrtum.

In seinem Sonnengleichnis beschreibt Platon die Wahrheitserkenntnis weiter anhand von visuellen Metaphern. Zunächst scheint es so, als ob Platon damit eine Evidenztheorie der Wahrheit vertritt, insofern Wahrheit ein geistiges Einleuchten bedeutet. Doch so einfach verhält es sich nicht: Die Sonne bewirkt, dass die menschliche Seele die Dinge in der Welt erkennt, da sie vom Licht glänzen. Auf philosophischer Ebene entspricht der Sonne die Idee des Guten. So wie Licht und Gesicht nicht mit der Sonne identisch sind, so sind auch Erkenntnis und Wahrheit, als Korrespondenz von Erkenntnis und Ding, in der Idee des Guten fundiert. Damit gelingt es Platon, die jeweiligen Probleme einer Korrespondenz- und Kohärenztheorie der Wahrheit zu lösen: Indem die Idee des Guten sowohl Erkenntnis- als auch Seinsgrund der Dinge in der Welt ist, stiftet sie den nötigen Zusammenhang von Wirklichkeit und erkennendem Subjekt als eine Art transzendentaler Hintergrund. Indem die Idee des Guten über allen anderen Ideen steht, stiftet sie unter ihnen Kohärenz und verbürgt zugleich deren wirkliche Existenz. Die Ideen müssen sich nicht auf Dinge in der WIrklichkeit beziehen, sondern die Dinge in der Welt sind nur Abbilder der Ideen, die an diesen Teil haben:

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