Im gegenwärtigen ethischen Diskurs besteht eine Gegenbewegung zum Transhumanismus darin, einen „Digitalen Humanismus“ zu entwickeln. Der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin versteht unter dem Digitalen Humanismus eine kritische Mittelposition, die sich einerseits von den „Apokalyptikern“ abgrenzt, nach denen die Digitalisierung das Ende der Menschheit bedeutet (etwa durch die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, die die Weltherrschaft an sich reißt), und von „Euphorikern“, nach denen in der Digitalisierung das Heil der Menschen für alle möglichen Probleme liegt. Der Digitale Humanismus versteht sich insofern als eine „Alternative“ zur sogenannten „Silicon-Valley-Ideologie“. Diese besteht aus Sicht des Digitalen Humanismus aus einer Mischung von Technologie, Ökonomie, sowie impliziter Metaphysik und gar Theologie. Mit dem Gestus wissenschaftlicher Objektivität transportiert der Transhumanismus heimlich normative Positionen, die dazu führen könnten, dass der Mensch dem Gesetz des technologischen Fortschritts unterworfen wird. Wissenschaft, Fiktion und Spekulation sind hier nicht mehr auseinanderzuhalten. Der Digitale Humanismus kritisiert, dass der Transhumanismus zwar „humanistische Impulse“, wie die Verbesserung des Menschen und seiner Situation, zum „Ausgangspunkt“ nimmt, dabei aber über sein Ziel insofern hinausschießt, als sie „zu anti-humanistischen Utopien“ transformiert und pervertiert werden. Die Silicon-Valley-Ideologie „beginnt bei der Verbesserung des Humanen und endet in seiner finalen Überwindung. Sie will das menschliche Leben auf dem Planeten verbessern und stellt die Bedingungen von Humanität infrage. Sie überführt den Humanismus zum Transhumanismus und zur technizistischen Utopie, in der das Menschliche auf der Strecke bleibt. Dem stellt sich der digitale Humanismus als eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz entgegen.“ Sicherlich würde eine Transhumanistin darauf antworten, dass sie gerade nicht die Bedingungen von Humanität in Frage stellt, sondern Humanität in ihrer letzten Konsequenz erst entwickelt, nämlich dadurch, dass der Mensch von seinem Körper unabhängig wird, womit seine Autonomie entschieden vergrößert wird. Dagegen könnte man wiederum argumentieren, dass zum Wesen des Menschen essentiell sein beseelter Körper bzw. sein Leib gehört, der ihm erst seine unverwechselbare Identität ermöglicht. Nida-Rümelin argumentiert, dass KIs „nicht nach eigenen Gründen“ handeln können und auch keine subjektiven Zustände (Qualia) wie Gefühle besitzen. Daraus folgert Nida-Rümelin, dass KI keine moralische Urteilskraft besitzen kann. Hier kann man jedoch kritisch einwenden, dass auch Moralität eine Form von komplexem sozialen Muster darstellt, welches prinzipiell auch gelernt werden kann. Der Digitale Humanismus „plädiert für eine instrumentelle Haltung gegenüber der Digitalisierung: Was kann ökonomisch, sozial und kulturell nutzen, und wo lauern Gefahren?“ Die neuen digitalen Medien sind jedoch mehr als nur Instrumente, und zwar deswegen, weil sie nicht nur auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet sind, wie etwa ein Hammer, sondern multifunktional sind. Ein Smartphone kann sowohl zum Telefonieren als auch zum Arbeiten, Chatten, Fernsehen und Fotografieren verwendet werden. Außerdem emergieren auf den neuen Medien neue virtuelle Realitäten und neue Räume, wie etwa soziale Netzwerke und Handlungsräume, die nicht mehr nur auf die instrumentelle Technik reduziert werden können, ohne an Bedeutung zu verlieren.