In ihrem Buch „Natural Goodness“ (2001; dt.: „Die Natur des Guten“) richtet sich die englische Philosophin Philippa Foot gegen dien zu ihrer Zeit dominanten sprachphilosophischen Auffassung des Guten. Einer „emotivistischen“ und „expressivistischen“ Auffassung nach sagen moralische Urteile nichts über die Natur der Sache aus, sondern nur über die emotionale Befindlichkeit des Sprechers. Die Aussage „Du sollst nicht andere Menschen töten“ wäre dann eigentlich so zu verstehen: „Ich empfinde Unbehagen, wenn ein anderer Mensch getötet wird, und deswegen sollte man keine anderen Menschen töten“. Einer „präskriptivistischen“ Auffassung nach transportiert das Urteil „Du sollst nicht andere Menschen töten“ allein die Form der Vorschrift und des Befehls. Foot zeigt hier, dass beide Ansichten subjektivistisch sind und nicht dem objektiven Anspruch der Moral gerecht werden. Foot argumentiert, dass in beiden Fällen eine „Kluft“ zwischen den Tatsachen in der Welt (dem Töten von Menschen) und der Einstellung eines Sprechers dazu besteht, die durch eine emotivistische oder präskriptivistische Analyse nicht überbrückt werden kann. Vielmehr ist hier der Zusammenhang zwischen Tatsachen in der Welt und unseren Urteilen nur zufällig. Selbst die sprachlogische Konsistenz oder Wohlgeformtheit unserer moralischer Urteile kann nicht garantieren, dass wir damit wirklich die Welt berühren.
Gegenüber dem Antinaturalismus G.E. Moors, der die Auffassung vertreten hatte, dass sich das Prädikat „gut“ nicht weiter andere Bezüge analysieren lässt, argumentiert Foot dafür, „daß es unmöglich war, das ‚Besondere‘ an der Idee des Guten zu erklären, ohne daß man über die besondere Art und Weise nachdenkt, wie wir die Welt der Lebewesen beschreiben.“ (12) Entgegen Moores Theorie des „naturalistischen Fehlschlusses“ argumentiert Foot deswegen dafür, „daß Zuschreibungen von »gut« ausnahmslos auf die Welt / der Lebewesen, also auf Pflanzen, Tiere und Menschen, bezogen sind und daß die Vorstellung von gut und schlecht ohne den Begriff des Lebens inhaltsleer wäre.“ (12) Daraus folgt nach Foot, dass die Moralphilosophie „nichts anderes als ein Zweig einer Untersuchung des Guten [ist], das in einer besonderen und allgemeinen Weise zum menschlichen Leben gehört“ (12 f.). Foot versteht unter dem natürlich Guten „die Qualität eines einzelnen Lebewesens (bzw. die Qualität irgendeiner seiner Eigenschaften“ (18). Sie analogisiert damit natürliche Lebensvollzüge und -Funktionen mit moralisch qualifizierbaren Handlungen, was sie „Muster natürlicher Normativität“ (59) nennt und argumentiert, „daß Bewertungen menschlichen Wollens und Handelns dieselbe begriffliche Struktur haben wie Bewertungen von Eigenschaften und Vollzügen anderer Lebewesen und nur nach diesem Modell verstanden werden können.“ Damit grenzt sich Foot von Kants Moralphilosophie ab, der die These vertreten hatte, dass das Gute eine Form der reinen praktischen Vernunft und unseres Willens ist: „Kant [hatte] anscheinend geirrt, als er dachte, daß eine abstrakte, auf vernünftige Wesen als solche anwendbare Vorstellung der praktischen Vernunft so etwas wie einen Moralkodex für Menschen begründen könnte. Die Bewertung menschlichen Handelns hängt nämlich auch von wesentlichen Zügen spezifisch menschlichen Lebens ab.“ (30 f.)
Foot bezieht sich auf etwas, was sie „Aristotelische Notwendigkeit“ nennt: „etwas, das notwendig ist, weil und insofern etwas Gutes davon abhängt.“ (30) Das Gute ist also dadurch gekennzeichnet, dass es zum Wohlergehen (eudaimonia) einer bestimmten Lebensform beiträgt und teleologisch sinnvoll ist. Das moralisch Böse kann dagegen als „eine Art des natürlichen Defekts“ aufgefasst werden. Diese Defekte sind nicht so sehr individualistisch, sondern intersubjektiv zu beobachten: „[M]an wird sicherlich nicht bestreiten, daß mit einem ‚trittbrettfahrenden‘ Wolf, der frißt, aber nicht an der Jagd teilnimmt, etwas nicht in Ordnung ist.“ (33)