Personen sind die Subjekte von Handlungen, und dementsprechend die Objekte der Praktischen Philosophie. An ihnen hängen alle weiteren praktischen Grundbegriffe, die ihre Bedeutung nur durch Bezug auf sie erhalten: Eine Person handelt, eine Person will etwas, eine Person ist frei, etwas zu tun, sie hat Emotionen und Gefühle. Was aber ist eine individuelle Person? Eine der prominentesten Antworten auf diese Frage hat der englische Philosoph John Locke (1632-1704) gegeben. Er unterscheidet zwischen der Identität der Substanz (bzw. eines bloßen Dinges), der Identität des Menschen (bzw. eines lebendigen Organismus) und der Person. Alle drei Kandidaten haben verschiedene Identitätsbedingungen. Wenn wir von einem Ding, etwa einem Stein, einen Teil entfernen (und sei es nur ein Atom), so ist es nach Locke streng genommen nicht mehr dasselbe. Anders verhält es sich mit lebendigen Organismen, wie der Mensch einen darstellt. Wenn wir hier einen Teil entfernen, etwa ein Haar, so ist es immer noch derselbe Mensch. Denn der lebendige Organismus behält seine Identität auch durch den Wechsel seiner Materie bei, und tatsächlich wird ein Großteil unserer Materie im Laufe unseres Lebens komplett ausgetauscht, ohne dass wir dadurch zu etwas Anderem werden. Die Identität der Person besteht nach Locke nicht in ihrem Organismus, sondern in ihrem Selbstbewusstsein bzw. Erinnerung. Wir sind so lange eine Person, wie wir uns an unsere momentanen zu vergangene Zustände erinnern können: „Soweit nun dieses Bewußtsein rückwärts auf vergangene Taten oder Gedanken ausgedehnt werden kann, so weit reicht die Identität dieser Person“. Diese Unterscheidung führt zu interessanten Gedankenexperimenten, die Locke entwickelt: „Nehmen wir an, die Seele eines Fürsten, die das Bewußtsein des vergangenen Lebens des Fürsten mit sich führt, träte in den Körper eines Schusters ein und beseelte ihn, sobald dessen eigene Seele ihn verlassen hätte. Jeder sieht ein, daß der Schuster dann dieselbe Person sein würde wie der Fürst und nur für dessen Taten verantwortlich.“ Das personale Bewusstsein ist dasjenige, was einen Organismus, aber auch ein bloßes Körperteil, zu einer Person machen kann: „So sieht jeder, daß sein kleiner Finger, solange er von diesem Bewußtsein erfaßt wird, ebensogut einen Teil seines Selbst ausmacht wie das, was am allerersten dazu gehört. Sollte bei einer Abtrennung dieses Gliedes das Bewußtsein ihm folgen und aus dem übrigen Körper schwinden, so würde offenbar der kleine Finger die Person, dieselbe Person sein; das Selbst würde mit dem übrigen Teil des Körpers nichts zu tun haben.“ John Lockes Bewusstseinstheorie personaler Identität wurde in der Folge kritisiert. In der gegenwärtigen Debatte hat der US-amerikanische Philosoph Eric T. Olson (*1963) hat ein Buch geschrieben, welches den bezeichnenden Titel „Personal Identity without Psychology“ trägt. Darin wendet er sich direkt gegen Lockes Selbstbewusstseinstheorie. Wir sind nach Olson wesentlich Tiere, d.h. unsere Identitätsbedingungen liegen in unserem lebendigen Organismus, und nicht in mentalen Phänomenen wie Selbstbewusstsein. Olson nennt diese Theorie „Animalismus“. Dagegen hat die US-amerikanische Philosophin Lynne Rudder Baker (1944-2017) eingewendet, dass unsere Identitätsbedingungen als Personen deswegen nicht diejenigen eines lebendigen Organismus sein können, da wir ansonsten im Grunde identisch mit Würmern wären. Dies ist jedoch kontraintuitiv, da wir selbst von uns eine absolute Würde beanspruchen, die wir Würmern und anderen nichtmenschlichen Organismen nicht zugestehen wollen: „[A]ccording to Animalism […], there is no ontological distinction between us and earthworms. By contrast, I think that metaphysics should tell us about what is fundamental to our being the kind of thing that we are (as opposed to earthworms), and about what is significant about us.“ Nach Baker ist dasjenige, was uns unsere Identität verleiht, in etwas zu suchen, was uns von anderen Tieren gerade unterscheidet. Wir könnten sogar so weit gehen, dass unser Identitätsbewusstsein gerade darin besteht, etwas anderes zu sein als bloße Tiere. Wir können diese Auffassung im Gegensatz zum Animalismus als „Personalismus“ bezeichnen.
In der Philosophie (und der Rechtswissenschaft) werden nicht nur individuelle (bzw. natürliche), sondern auch kollektive (bzw. juristische) Personen diskutiert. Kollektivpersonen stellen anders als ein bloßes loses Personenkollektiv eine handlungsfähige Einheit dar, deren Handlungen einem komplexen Willensbildungsverfahren unterliegen. Juristische Personen wie etwa Vereine besitzen Organe wie etwa einen Vorstand oder eine Mitgliederversammlung und können dank dieser handeln. Juristische Personen haben Rechte und Pflichten, und sie können z.B. eine Erbschaft machen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist eine juristische Person als solche verantwortlich für den Schaden, den eines ihrer Organe (etwa ein Vorstand) verursacht. Dagegen haftet nach dem Strafgesetzbuch die „Organwalter“ als natürliche Personen für Straftaten, und nicht die juristische Person.
Wie aber verhalten sich genau individuelle und kollektive Personen zueinander? Diesbezüglich gibt es zwei Auffassungen. Nach der Fiktionalitätstheorie sind Kollektivpersonen bloße Konstrukte, deren Realität und Bedeutung nicht über die Summe ihrer einzelnen individuellen Mitglieder hinausgeht. Nach der Realitätsthese existieren Kollektivpersonen wirklich, und ihre Realität und Bedeutung geht über die bloße Summe ihrer einzelnen individuellen Mitglieder hinaus.
Der Begriff einer kollektiven Person hat eine Vorgeschichte, die in der politischen Philosophie zu finden ist. Der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) vertrat die These, dass wir eine kollektive Person im Sinne eines staatlichen „Leviathan“ bilden können, indem wir ihm alle unsere Macht durch gegenseitige verbindliche Verträge übertragen. Ganz ähnlich unterscheidet der Genfer Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) zwischen einem Gemeinwillen und dem Willen aller. Der Wille aller ist eine bloße Ansammlung von Individualwillen und Privatinteressen, während der Gemeinwille, wie er sich im Gesellschaftsvertrag manifestiert, in einer vernünftigen staatlichen und institutionellen Ordnung besteht, die uns erst Freiheit und Eigentum ermöglicht, indem wir von den Privatinteressen abstrahieren. Rousseau schreibt dazu: „Was der Mensch durch den Gesellschaftsvertrag verliert, ist seine natürliche Freiheit und ein unbegrenztes Recht auf alles, wonach ihn gelüstet und was er erreichen kann; was er erhält, ist die bürgerliche Freiheit und das Eigentum an allem, was er besitzt. […] Man könnte nach dem Vorhergehenden zum Erwerb des bürgerlichen Standes noch die sittliche Freiheit hinzufügen, die allein den Menschen zum wirklichen Herrn seiner selbst macht; denn der Antrieb des reinen Begehrens ist Sklaverei, und der Gehorsam gegen das selbstgegebene Gesetz ist Freiheit“.
In der neueren Debatte hat die US-amerikanische Philosophin Margaret Gilbert (*1942) den Begriff eines „plural subject“ geprägt. Darunter versteht sie den handlungswirksamen Zusammenschluss individueller Personen auf Basis gemeinsamer Verpflichtungen („joint commitments“). Wenn individuelle Personen im gegenseitigen Einvernehmen sich auf etwas verpflichten und dann danach handeln, dann handelt das Pluralsubjekt als eine Einheit. Eine gegenseitige, gemeinsame Verpflichtung ist nach Gilbert insofern holistisch, als sie nicht ohne Bedeutungsverlust auf die individuellen Verpflichtungen reduziert werden kann. Kollektivpersonen existieren so lange, wie die gemeinsamen Verpflichtungen bestehen bzw. sich ihre Mitglieder danach richten. Auf Basis von kollektiven Verpflichtungen entstehen Formen kollektiven Beabsichtigens und kollektiven Handelns. Im Gegensatz zu Handlungen von individuellen Personen sind Handlungen kollektiver Personen träge und weniger spontan, da sie durch verschiedene Verfahren und Institutionen legitimiert, koordiniert und durch Organe ausgeführt werden müssen, und dies auf Basis von individuellen Personen, die selbst wiederum als solche sich verpflichten, beabsichtigen und handeln. Kollektivpersonen können sich erweitern (wachsen) oder verkleinern (schrumpfen), je nachdem, wie viele Mitglieder sie haben. Kollektivpersonen existieren so lange, wie die gemeinsamen Verpflichtungen bestehen bzw. sich ihre Mitglieder danach richten. Sie hört dann auf zu existieren, wenn eine gemeinsame Identifikation und Verpflichtung der Mitglieder nicht mehr existiert. Im Gegensatz zu individuellen bzw. natürlichen Personen besitzen daher Kollektivpersonen keine Würde und sind, wenn überhaupt, dann nur aus einem ökonomischen oder kulturellen, nicht jedoch aus einem moralischen Grund schützenswert.