Um zu bestimmen, ob und inwiefern Tiere einen Geist haben, müssen wir zuerst bestimmen, was „Geist“ eigentlich bedeutet. Im Deutschen hat das Wort „Geist“ verschiedene Bedeutungen, die von individuellen Zuschreibungen wie „Selbstbewusstsein“ über „Rationalität“ bis hin zu allgemeinen Charakteristika wie den „Geist des Protestantismus“ oder „Geist des 19. Jahrhunderts“ reichen.[1] Wir brauchen also einen engeren Begriff. Deswegen ist es im Kontext von Tieren sinnvoll, sich am englischen Wort „mind“ zu orientieren, was so viel wie sie Sphäre des Mentalen bezeichnet. Mentale Phänomene sind z.B. Denken, (Selbst-)Bewusstsein, Intentionalität (Gerichtetheit des Geistes), Sprache, Begriff(svermögen), Qualia („Wie-Zustände“), Emotionen, aber auch (Willens)Freiheit. Besonders die Frage nach dem Denken, dem Begriffsvermögen und dem Selbstbewusstsein von Tieren wird im Seminar im Zentrum stehen.
Wenn man so nach dem „Geist“ der Tiere fragt, muss man zugleich methodologisch auf die Frage reflektieren, wie wir ggf. diese geistigen Merkmale der Tiere erkennen können. Hier stellt sich das grundlegende Problem, dass wir immer schon geneigt sind, bestimmte geistige Akte und Zustände – wie etwa Freude und Nachdenklichkeit – Tieren zuzuschreiben, indem wir diese in sie hineinprojizieren (Projektionsthese). Ein anderes Problem besteht darin, dass wir oft zu sehr auf unsere eigene Spezies Mensch fokussieren, und so geneigt sind, eventuelle geistige Merkmale von Tieren und deren moralische Signifikanz systematisch zu übersehen (Anthropozentrismus bzw. „Speziesismus“). Wir müssen also eine Methode entwickeln, wie wir ggf. geistige Akte bei Tieren erschließen können. Hierzu sind Bezüge auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse unabdingbar. Gleichwohl sprechen diese Experimente und ihre Ergebnisse nie für sich selbst, sondern bedürfen immer einer (philosophischen) Interpretation, um aussagekräftig zu sein. Eng mit der Zuschreibung von geistigen Akten und Phänomenen verbunden ist die Frage nach dem moralischen Status von Tieren. Denn sollten gewisse Tiere über Selbstbewusstsein, Zukunftsbewusstsein oder gar Moralbewusstsein verfügen, so hätte der Tod für sie eine uns ähnliche Bedeutung, und wir wären u.U. moralisch verpflichtet, sie nicht zu töten.
[1] Vgl. auch http://digiseminar.net/reflexionen-zum-geistbegriff