Zusammenfassung, 4. Sitzung, 17.5.2019 – Was ist Information?

Der Begriff der Information ist besonders zentral für das philosophische Phänomen der Digitalisierung und Digitalität. Doch ist er sehr vage, so dass er zuerst näher bestimmt werden muss. Grundsätzlich können wir all dasjenige als Information bezeichnen, was für uns von Bedeutung ist. Informationen sind Daten, also Gegebenheiten, die für uns in einer ganz bestimmten Hinsicht relevant, interessant und nützlich sind. Was für uns von Bedeutung ist, hängt wiederum von unserem Interesse ab (das könnte man die pragmatische Dimension der Information nennen). Doch müssen Informationen eine interne Struktur besitzen, die prinzipiell verständlich ist (dies könnte man die rationale Dimension von Information nennen). Informationen können auf verschiedene Art und Weise vorliegen: Sie können aus Zeichenketten („Strings“), Zahlen (ganzzahlig („Integer“) oder Fließkomma („float“), binären digitale Oppositionen (0 und 1), aber auch Bildern, Symbolen oder distinkten Sinnesdaten (Roteindruck, akustisches Signal) bestehen, die im Idealfall eine innere Ordnung und syntaktische Struktur besitzen. Ein bloßes Datenrauschen wird schwer als Information dienen können. Wir bemühen uns, bestimmte Signale, also Zeichen, die etwas bedeuten, aufzuspüren und zu interpretieren. Dies könnten wir die epistemologische Dimension der Information nennen: Information ist erkenntnis- und interessenabhängig. Die semantische Dimension der Information bedeutet, dass sie, um von Bedeutung zu sein, interpretierbar sein muss. D.h., ein Signal oder Datum muss sich in einen größeren Kontext einordnen lassen, den es weiter erhellt (dies könnte man die „holistische Dimension“ der Information nennen). Informationen oder sinnvolle Daten können encodiert und decodiert werden. Sie können in bestimmte Formate überführt und dann zurückübersetzt werden (dies könnte man die hermeneutische Dimension der Information nennen). Entscheidend für Informationen ist, dass diese im Endeffekt eine propositionale Struktur aufweisen müssen. Damit ist gemeint, dass sie sich (durch Interpretation) in wahrheitswertfähige Aussagen und Urteile bringen lassen müssen, also in Sätze, die wahr oder falsch sein können, wie etwa der Satz: „Am 17. Mai 2019 schien in München die Sonne“. Erst dann besitzen Daten eine semantische Relevanz, einen „Aha-Effekt“. Auch sogenannte „analytische Sätze“ wie „Alle Junggesellen sind unverheiratet“ besitzen eine gewisse Information, da hier eine Synonymie von „Junggeselle“ und „unverheirateter Mann“ erklärt wird. Schwieriger wird es mit Sätzen wie „Alle Junggesellen sind Junggesellen“, da hier eine Tautologie ausgedrückt ist, die keinen Informationsgewinn bietet.

Informationen bezeichnen damit ontologisch Sachverhalte, die als Tatsachen bestehen oder (etwa als „fake news“) nicht bestehen können. Problematisch ist jedoch das Phänomen des Informationsverlustes. Nehmen wir an, ich sehe einen roten Gegenstand mit der Wellenlänge von 640 Nanometern. Dann genügt diese Information noch nicht, einem Blinden die Qualität (das quale) des Roteindrucks zu vermitteln.

Luciano Floridi, Professor für Philosophie und Informationsethik der University of Oxford und Direktor des Digital Ethics Lab of the Oxford Internet Institute, hat den Begriff der „vierten Revolution“ geprägt: „[T]he information revolution has been changing the world profoundly, irreversibly, and problematically since the fifties, at a breathtaking pace, and with unprecedented scope, making the creation, management, and utilization of information, communication, and computational resources vital issues.“ (Floridi 2009, 154) Die vierte Revolution schließt an die kopernikanische Revolution (geozentrisches vs. heliozentrisches Weltbild), an die darwinsche Revolution (Mensch vs. Tier vs. Mensch als Tier) und an die freudsche Revolution (Selbstbewusstsein vs. Unterbewusstsein) an. Floridi ist sich der Tatsache bewusst, dass im Rahmen der vierten Revolution erst noch neue Begriffe geprägt werden müssen, um die neuen Realitäten zu beschreiben: „Dergleichen Versuche zur Umgestaltung unserer Sprache können ärgerlich sein, sie lassen sich jedoch nicht immer vermeiden.“ (Floridi 2015, 12) Hier sehen wir, dass semantische und ontologische Fragen aufs Engste aufeinander bezogen sind. Eine solcher Neologismus ist der Begriff der „Infosphäre“, der analog zum Begriff der „Biosphäre“ geprägt wurde. Er meint „die gesamte informationelle Umwelt, die von sämtlichen informationellen Entitäten, ihren Eigenschaften, Interaktionen, Prozessen und Wechselbeziehungen gebildet wird. Es ist dies eine Umwelt, die einen Vergleich mit dem Cyberspace erlaubt, sich jedoch insofern von ihm unterscheidet, als dieser gewissermaßen nur einen ihrer Unterbereiche darstellt, da die Infosphäre außerdem den Offline- und den analogen Informationsraum mitumgreift.“ (Floridi 2015, 64) Die Infosphäre hat gravierende ontologische Implikationen, da sie mit der Wirklichkeit gleichgesetzt werden können. In einer Abwandlung von Hegels berühmtem Spruch „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“, formuliert Floridi folgenden Satz: „was wirklich ist, ist informationell, und was informationell ist, ist wirklich“ (Floridi 2015, 64). In letzter Konsequenz würden Epistemologie und Ontologie in der Infosphäre koinzidieren: Es gibt nur das, was sich informationell finden lässt, und es lässt sich nur informationell finden, was existiert (Information = Sein). Floridi drückt dies folgendermaßen aus: „[T]he infosphere will have moved from being a way to refer to the space of information to being synonymous with Being.“ (Floridi 2010, 9) Die (digitale) Infosphäre ist dadurch ausgezeichnet, dass sie eine „Daten-Superleitfähigkeit“ besitzt. In Zeiten des Internets fallen Reibung, Raum- und Zeitdifferenz praktisch bei der Datenübertragung weg. Aber auch eine ethische Dimension folgt aus der Infosphäre: „[W]ir [erleben] eine substanzielle Aushöhlung des Rechts auf Nichtwissen. In einer immer reibungsloser funktionierenden Infosphäre verliert die Behauptung, man habe nichts gewusst, angesichts von leicht vorhersehbaren Ereignissen und kaum ignorierbaren Fakten zunehmend an Glaubwürdigkeit.“ (Floridi 2015, 66) Zugleich aber droht die Entstehung von „informational slums“, die nicht an die Infosphäre angebunden sind.