Kant bestimmt die Aufklärung negativ als einen Prozess, der aus unserer Unmündigkeit herausführt. Wir sind in diese Unmündigkeit nicht einfach so, schuldlos und ohne Zutun, geworfen worden, sondern haben uns selbst in diesen Zustand begeben. Unmündigkeit ist nicht bereits hinreichend dadurch charakterisiert, dass wir sie als einen Mangel unseres Verstandes bestimmen. Denn für diesen Mangel könnten wir auch nicht verantwortlich sein. Wir sind vielmehr verantwortlich für Faulheit und Feigheit, die Kant auch als Mutlosigkeit bezeichnet, unseren Verstand selbst, also autonom, zu gebrauchen. Unmündigkeit bedeutet nicht nur, dass wir passiv sind, sondern dass wir uns selbst in diesem Zustand der Passivität gebracht haben. Wir haben uns dadurch in diesen Zustand gebracht, dass wir unseren eigenen Verstand und damit auch unsere Freiheit delegiert und vermittelt, also abgegeben haben. Wir machen uns gewissermaßen aus Freiheit selbst unfrei. Den eigenen Verstand zu gebrauchen bedeutet nach Kant, diesen öffentlich zu gebrauchen. Kants Theorie der Aufklärung ist deswegen auch eine Medienkritik, die nichts an Aktualität eingebüßt hat. Auch der öffentliche Gebrauch der Vernunft, den Kant als Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit bestimmt, ist ein medialer Gebrauch der Vernunft. Allerdings ist dieser Mediengebrauch so verfasst, dass dieser nicht zu privatzwecken oder in Art einer Blasenbildung geschieht, sondern sich „vor dem ganzen Publicum der Leserwelt“ vollzieht. Wir können insofern Aufklärung nach Kant als eine Form kritischen Mediengebrauchs verstehen. Kant spricht von einem „Geist der Freiheit“, der durch den öffentlichen Gebrauch der Vernunft verbreitet wird. Allerdings kann uns Kant keine konkreten Regen vorschreiben, wie wir aus unserer Unmündigkeit wieder herauskommen können. Es kann keinen Aufklärungs-Ratgeber geben, da dieser selbst wieder eine Form von Unmündigkeit wäre. Kant konzentriert sich deswegen vor allem darauf, zu beschreiben, wie wir in Formen der Unmündigkeit geraten können, damit der Leser selbst bestimmt, wie er diese Gefahren vermeiden kann.
Der deutsche Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813) hat fünf Jahre nach Mendelssohn und Kant „Sechs Fragen zur Aufklärung“ gestellt und auch selbst beantwortet. Er hat dazu die optische Metaphorik der Aufklärung weiter mit Blick auf Licht und Dunkelheit ausgedeutet: „[S]obald Licht gebracht wird, klären sich die Sachen auf, werden sichtbar und können von einander unterschieden werden.“ Dies setzt jedoch voraus, dass „Licht genug vorhanden ist“ und dass „diejenigen, welche dabei sehen sollen, weder blind noch gelbsüchtig seyen, noch durch irgend eine andere Ursache verhindert werden, sehen zu können oder sehen zu wollen“. Aufklärung betrifft nach Wieland sowohl theoretische wie praktische Fragen. Das „Licht des Geistes“ betrifft „die Erkenntniß des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen“. Damit betrifft die Aufklärung Gegenstände der äußeren und inneren Erkenntnis, bzw. „alles dem äußern und innern Auge Sichtbare“. Anders als Mendelssohn und Kant spricht Wieland auch von „Gegner[n] der Aufklärung“, die versuchen, „uns schwarz für weiß geben“ und nur in der Dunkelheit wirken können. Wieland vergleicht die Ausbreitung der Aufklärung metaphorisch damit, „das Licht zu vermehren, die dunkeln Körper, die ihm den Durchgang verwehren, so viel möglich weg zu schaffen und besonders alle finstern Winkel und Höhlen sorgfältig zu beleuchten“. Die Methode der Aufklärung besteht darin, „Vorstellungen, Begriffe, Urtheile und Meinungen“ kritisch zu prüfen, indem „das Wahre vom Falschen daran abgesondert, das Verwickelte entwickelt, das Zusammengesetzte in seine einfachern Bestandtheile aufgelöst, das Einfache bis zu seinem Ursprunge verfolgt“ wird. Nach Wieland ist jeder Mensch dazu berechtigt, die Menschheit aufzuklären: „Jedermann – von Sokrates oder Kant bis zum obscursten aller übernatürlich erleuchteten Schneider und Schuster, ohne Ausnahme, berechtigt ist, die Menschheit aufzuklären, wie er kann“. Wieland spricht sich damit gegen die Monopolisierung der Aufklärung durch einzelne privilegierte Individuen aus. Wie Kant, so erblickt auch Wieland im Medium des Buches den Schlüssel zur Aufklärung. Man soll, so Wieland, „kein anderes Mittel zur beliebigen Aufklärung der Menschheit zu gestatten, als die Buchdruckerpresse“. Im Gegensatz zu einem „Narr“ kann ein Buch „heut zu Tage keinen Schaden thun, der entweder der Rede werth wäre oder nicht gar bald zehnfältig oder hundertfältig durch Andere vergütet würde“. Der Grund besteht in der strukturellen Öffentlichkeit des Mediums des Buches, welches immer kritische Gegenentwürfe und Korrekturen in der Öffentlichkeit nach sich zieht. Selbst „wenn alle Messen einige Frachtwagen voll Brochuren gegen die Aufklärung in Leipzig ein- und ausgeführt werden“, wenn also im Medium des Buches gegen die Aufklärung argumentiert wird, zeigt sich die Aufklärung, da sie wesentlich medial verfasst ist.