Aristoteles unterscheidet in seiner Nikomachischen Ethik zwischen Tugenden und Lastern, die entweder unsere Affekte oder unsere Handlungen betreffen. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht auch noch andere Formen des Unmoralischen gibt, wie etwa Einstellungen, Motive oder Maximen. Das Gute oder Gesollte besteht nach Aristoteles in einer harmonischen, ausgeglichenen Mitte zwischen bestimmten Affekten und Handlungen. Es handelt sich also um eine Art formales Kriterium, wodurch wir die Tugend bestimmen. Laster bestehen entweder in einem Zu-Viel oder Zu-Wenig des jeweiligen Affekts oder der Handlung. So ist etwa derjenige, der zu viel Mut oder wenig Furcht empfindet tollkühn, und derjenige, der zu wenig Mut oder zu viel Furcht empfindet feige. Die tugendhafte Mitte liegt in der Tapferkeit. Hier sind Mut und Furcht in einer gesunden Mischung vorhanden. Darüber hinaus gibt es noch Laster, die intrinsisch schlecht sind, wie etwa der Affekt des Neides und der Schadenfreude oder die Handlung des Ehebruchs oder Mordes.
Hinsichtlich der Sieben Todsünden scheint es einen Abstieg der Geistigkeit vom Hochmut bis zur Trägheit zu geben. Nun könnte man sich fragen, ob nicht die größte Sünde im gänzlichen Fehlen von Geistigkeit und Intentionalität besteht, wie es in der Trägheit zu sein scheint. Dagegen kann man anführen, dass Geistigkeit als solche noch nicht das Gute garantiert. Vielmehr kann eine pervertierte Vernunft viel größeren Schaden als bloße Triebhaftigkeit bewirken, weil sie mit Intelligenz und Freiheit gepaart ist.
Thomas von Aquin befasst sich in seinen Quaestiones disputatae, insbesondere in seiner Disputatio de malo mit den Sieben Hauptsünden „Eitelkeit, Neid, Zorn, Trägheit, Habgier, Völlerei und Wollust“. Diese versteht er deshalb als Hauptsünden, „weil von ihnen her andere ihren Anfang nehmen“. Thomas verweist darauf, dass die Todsünden voneinander abhängen: „So zum Beispiel, wenn jemand um des Geldgewinns willen lügt, die Lüge also aufgrund der Habgier entsteht“. Dies scheint gegen eine Priorisierung der Todsünden zu sprechen. Thomas erwägt dagegen, dass „jene Laster die bedeutendsten oder hauptsächlichen [sind], die auch bedeutende Zwecke verfolgen“. Der Zweck des Hochmuts besteht darin, sich als absolut zu setzen, während Völlerei und Wollust nur „in der Fleischeslust ihren entferntesten Ausrichtungspunkt haben“.
Immanuel Kant befasst sich mit dem Problem der Lüge im Rahmen seiner deontologischen Ethik. Ähnlich wie Aristoteles entwickelt er ein Verfahren, um zu bestimmen, was moralisch Gut ist. Doch handelt es sich bei ihm nicht um die gesunde Mitte von Affekten und Handlungen, sondern um die widerspruchsfreie, verallgemeinerungsfähige Form von Maximen, also subjektiven Handlungsgrundsätzen oder Motivationen. Diese Form gibt das Sittengesetz der reinen praktischen Vernunft vor. Diese widerspruchsfreie Form-Forderung lässt sich in verschiedenen Formeln durch den kategorischen Imperativ ausdrücken: „„Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ (Kritik der praktischen Vernunft, AA 5:30) Oder aber: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 4:429). In seinem kurzen Aufsatz Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen (1797) argumentiert Kant dafür, dass wir grundsätzlich nicht lügen dürfen, so „daß die Lüge gegen einen Mörder, der uns fragte, ob unser von ihm verfolgter Freund sich nicht in unser Haus geflüchtet, ein Verbrechen sein würde“. Kant vertritt die These, dass eine Lüge gegenüber einer anderen Person nicht so sehr dieser schadet, als vielmehr der Menschheit als solcher. Dies ist auf den ersten Blick kontraintuitiv, denn warum sollte die Gesamtheit aller Menschen (verstanden als ihre Summe) davon betroffen sein? Kant versteht jedoch unter „Menschheit“ nicht die Summe aller Menschen, sondern den Inbegriff der Menschheit, d.h. ihre Vernünftigkeit, die durch die Lüge verletzt würde. Es würde daraus folgen, „daß Aussagen (Declarationen) überhaupt keinen Glauben finden, mithin auch alle Rechte, die auf Verträgen gegründet werden, wegfallen und ihre Kraft einbüßen; welches ein Unrecht ist, das der Menschheit überhaupt zugefügt wird“. Die Lüge schadet nicht so sehr einem einzelnen Menschen als „der Menschheit überhaupt, indem sie die Rechtsquelle unbrauchbar macht.“ Wir schaden also durch die Lüge der Menschheit, da wir das Vertrauen in die Rechtsordnung und die Möglichkeit vernünftigen, geregelten Zusammenlebens zerstören (was gerade ein Begriff der Menschheit ist). Dies aber können wir rational nicht wollen. Selbst der Mörder, der uns nach seinem Opfer fragt, setzt die Ordnung der Wahrheit oder unsere Wahrhaftigkeit voraus. Die Maxime, in Ausnahmesituationen zu lügen, widerspricht damit der Forderung des kategorischen Imperativs. Selbst kleine, scheinbar unbedeutende Lügen verletzen nach Kant dieses Gebot. Ein weiterer Grund für das absolute Lügenverbot besteht darin, dass Lügen die Tendenz haben, weitere Lügen nach sich zu ziehen. Wer einmal eine Ausnahme begründet, findet leicht ein weitere. Dies kann am Ende dazu führen, dass wir uns immer mehr in Lügen verstricken und nicht mehr aus ihnen herausfinden. Kant argumentiert, dass wir bei der Beurteilung von Handlungen nur unsere Motivation bzw. unseren Willen betrachten dürfen, jedoch niemals die Auswirkungen der Handlungen, ob sie nun jemandem schaden oder nicht. Kant schreibt deswegen in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ (4:393) Die Folgen dieses Willens liegen nicht mehr in unserer Hand, da unsere ursprüngliche Intention, sobald sie den Geist verlässt und in die Welt tritt, von Umständen abhängig wird, die wir nicht absehen und beeinflussen können. Bezogen auf das berühmte Verfolgungs-Beispiel und die Frage nach der Notlüge schreibt Kant: „Er [der Wahrheits-Sager] selbst thut also hiemit dem [vom Mörder Verfolgten], der dadurch leidet, eigentlich nicht Schaden, sondern diesen verursacht der Zufall.“ Freilich ist diese Einstellung problematisch. Denn man könnte in diesem Fall daran denken, dass man wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden könnte. Deutlich wird jedoch an diesem Beispiel der Lüge, dass Kant nicht nur Affekte oder Handlungen in den Blick nimmt, sondern einen dritten Bereich, der unseren individuellen Willen betrifft. Einen solchen Willensbegriff scheint die Antike und Aristoteles nicht gekannt zu haben.