Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) betrachtet das Verhältnis zwischen Essenz (Wesen) und Existenz (Sein) eines Dinges aus (sprach-)logischer Perspektive. Er unterscheidet zwischen Sätzen, die auf die Essenz, und Sätze, die auf die Existenz eines Dinges gehen:
- Essentiale Sätze: Diese Sätze sind notwendige Sätze, deren Gegenteil einen (logischen) Widerspruch in sich schließt. Leibniz bringt als Beispiel folgenden Satz: „Die Zwölferzahl ist eine Viererzahl“. Dieser Satz lässt sich so auflösen, dass das Prädikat „Viererzahl“ aus dem Subjekt „Zwölferzahl“ heraus-analysiert werden kann. Immanuel Kant sollte deswegen später von einem sogenannten „analytischen Satz“ sprechen. Das Gegenteil dieses Satzes würde folgendermaßen lauten: „Die Zwölferzahl ist keine Viererzahl“. Dieser Satz wäre logisch falsch. Ein anderes Beispiel für einen essentialen Satz wäre folgender „Alle Junggesellen sind unverheiratet“. Das Prädikat „unverheiratet“ ist analytisch im Subjekt „Junggeselle“ enthalten.
- Existentiale Sätze: Diese Sätze sind zufällige (kontingente) Sätze, deren Gegenteil keinen (logischen) Widerspruch in sich schließt. Ein Beispiel dafür wäre der Satz: „Am 27.5.2020 schien um 19.30 Uhr die Sonne in München“. Dieser Satz ist nach Leibniz zwar wahr, jedoch nicht notwendiger Weise. Die Sonne hätte auch an diesem Tag in München nicht scheinen können, dies wäre nicht logisch ausgeschlossen gewesen. Ein weiterer Satz wäre „Leibniz lebte im 18. Jahrhundert“. Das Prädikat „lebte im 18. Jahrhundert“ kann aus dem Begriff „Leibniz“ nicht heraus analysiert werden, wie auch das Prädikat „schien am 27.5.2020 um 19.30 Uhr in München“ nicht aus dem Begriff der Sonne heraus analysiert werden kann. Kant sollte später solche Sätze als „synthetische Sätze“ bezeichnen. Solche Sätze sind deswegen existentiale Sätze, weil sie nur für eine bestimmte Zeit wahr sind, jedoch nicht für alle möglichen Zeiten und Welten. Die darin enthaltenen Prädikate gehören dem Subjekt nicht essentiell an, sondern betreffen nur ihre Möglichkeit und setzen bestimmte Bedingungen voraus. Solche Sätze drücken also keine notwendigen, sondern nur zufällige Wahrheiten aus. Nur ein unendlicher Geist könnte alle Gründe eines Dinges so überblicken, dass er die Notwendigkeit des Sonnescheinens am 27.5.2020 in München einsähe.
Leibniz trennt also wie Thomas von Aquin die Essenz von der Existenz. Die Existenz erscheint dabei als etwas, das nicht als notwendiges definitorisches Merkmal einer Sache angesehen wird, sondern nur seine Möglichkeit, also Modalität betrifft.