Immanuel Kants (1724-1804) Theorie des Guten markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Philosophie. Nicht mehr wird das Gute, wie bei Platon, an einen metaphysischen Ort entrückt, der jenseits des Seins ist. Vielmehr wird das Gute nun mitten im individuellen Subjekt verortet, insofern es seinen konkreten Willen betrifft: „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ (AA IV, 393) Diese These wird durch folgendes Gedankenexperiment deutlich. Nehmen wir an, eine Person helfe anderen Personen aus ihrer Not oder ihrem Leid. Die Person gesteht später aber, dass sie diese Handlungen nur tat, um ein gutes Gewissen zu haben oder um bekannt zu werden. In diesem Lichte würden die Handlungen nicht mehr uneingeschränkt als gut bezeichnet werden können, und die Personen, denen geholfen wurde, würden den Eindruck gewinnen, nur instrumentalisiert worden zu sein.
Selbst bestimmte „Talente des Geistes“ wie „Verstand, Witz, Urteilskraft“ oder „Eigenschaften des Temperaments“ wie „Mut, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatze“ können nach Kant nicht absolut gut genannt werden. Sie lassen sich nämlich unmoralisch gebrauchen, wie sich am Falle der Person Hannibal Lecters im Film „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) zeigen lässt. Der Serienmörder Hannibal Lecter ist überaus kultiviert, besonnen und beharrlich. Lecter missbraucht also seine Talente und Temperamente: „[O]hne Grundsätze eines guten Willens können sie höchst böse werden, und das kalte Blut eines Bösewichts macht ihn nicht allein weit gefährlicher, sondern auch unmittelbar in unsern Augen noch verabscheuungswürdiger, als er ohne dieses dafür würde gehalten werden.“ (AA VI, 393 f.) Auch wendet Kant ein, dass Glückseligkeit selbst nicht absoluten Wert besitzt. Denn sie kann von einem gerade da in Zweifel gezogen werden, ja empören, wo sie nicht moralisch fundiert ist. Glückseligkeit, im Sinne der Befriedigung von Begierden und als Genuss des Lebens läuft Gefahr, keine Grenzen zu kennen. Es gibt immer neue Möglichkeiten, den eigenen Genuss zu vergrößern, gerade dann, wenn man sich mit anderen vergleicht. Im Streben nach Glückseligkeit wird man so am Ende fremdbestimmt und verliert seine moralische Freiheit.
Entscheidend für Kants Theorie des guten Willens ist, dass seine Handlungen oder Konsequenzen für die moralische Bewertung irrelevant sind. Wenn ein Wille selbst gut ist, d.h. sich an den Vorgaben der Pflicht des kategorischen Imperativs orientiert, dass die eigene Maxime sich widerspruchsfrei verallgemeinern lassen soll, und dies unter „Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind“, geschieht, dann entspricht er einem „Juwel“, und seine Konsequenzen gleichen dagegen nur seiner „Einfassung“, sind also nur akzidentell und unwesentlich. Damit wendet sich Kant gegen konsequentialistische und utilitaristische Auffassungen des Guten.
Kant argumentiert also, dass das Gute nicht als Person, Handlung oder Umstand gedacht werden sollte, sondern als individueller Wille oder als individuelle Gesinnung. Hier stellt sich freilich die Frage, ob eine gute Gesinnung wirklich ausreicht, um sie als moralisch gut zu bezeichnen. Wir haben die moralische Intuition, dass das Gute immer auch konkret sichtbar, d.h. wirklich und faktisch werden muss: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es“, wie es Erich Kästner formuliert hat. Damit ist gemeint, dass das Gute nicht bloß eine fromme Absicht sein sollte, sondern dass man sich bemühen muss, sie auch gegen Widerstände in eine Handlung zu überführen. Das Gute sollte nicht nur individuelle Geltung haben, sondern sich intersubjektiv in der Gesellschaft vollziehen, es sollte nicht nur internalisiert, sondern auch externalisiert werden. Das Gute liegt einer solchen Auffassung nach gerade im Übergang vom guten Willen zur Handlung. Eine gute Intention wäre demnach nur notwendig, nicht aber hinreichend für das Gute. Kant wiederum argumentiert, dass wir es nicht in der Hand haben, ob unser guter Wille auch in eine Handlung überführt werden kann. Denn es könnten Umstände eintreten, die einen festen Willen nicht handlungswirksam werden lassen. Ein Wille ist nach Kant jedoch nicht nur ein frommer Wunsch, sondern eine Absicht und ein Entschluss, etwas konkret in der Welt umzusetzen. Man könnte nun gegen Kant einwenden, dass das Gute gerade auch in der konkreten handlungsmäßigen Ausgestaltung liegt, also der Form einer Handlung und ihrem Vollzug bzw. Prozess. Demnach wäre ein guter Wille nicht im vollen Sinne gut zu nennen, wenn er nicht Ausdruck in einer Handlung und ihrem Vollzug findet, die in der Welt kausal wirksam wird.
Zentral ist hierbei Kants Unterscheidung von „pflichtgemäß“ und „aus Pflicht“. Eine Handlung, die nur pflichtgemäß geschieht, kann zwar legal genannt werden, doch fehlt ihr die eigentliche moralische Motivation, um des Guten selbst willen zu handeln. Ein Kaufmann, der das korrekte Wechselgeld zurückgibt, weil er andernfalls befürchtet, angeklagt zu werden, handelt nur legal. Moralität bedeutet hingegen, aus Pflicht zu handeln, d.h. die moralische Pflicht selbst einzusehen und zu befürworten, weil man die Würde der anderen Person respektiert. Kant nennt diese Haltung auch „Achtung vor dem moralischen Gesetz“.