Kant expliziert den Begriff des guten Willens weiter über seinen Begriff der Pflicht. Nach Kant gilt, dass dieser Begriff „schon dem natürlichen gesunden Verstande beiwohnt und nicht sowohl gelehrt als vielmehr nur aufgeklärt zu werden bedarf“ (4:397). Der Begriff der Pflicht „enthält“ nach Kant analytisch den Begriff des guten Willens, jedoch „unter gewissen subjectiven Einschränkungen und Hindernissen“. Dies bedeutet, dass der gute Wille in uns nicht einfach so vorliegt oder wirksam wird, sondern immer durch individuelle egoistische Neigungen verdeckt zu werden droht. Wir erreichen nach Kant den Zustand der Moralität nicht im Modus der Neigung oder Glückseligkeit, sondern nur im Modus der Pflicht. Dies bedeutet, dass wir nur dann moralisch sind, wenn wir zugleich unsere individuellen Neigungen einschränken bzw. der Sittlichkeit unterordnen. Aus logischer Sicht gilt jedoch immer, dass der Begriff der Pflicht impliziert, dass wir dem Pflichtgebot auch nachkommen können müssen. Eine Pflicht, die unser Vermögen prinzipiell überfordert, ist nach Kant nicht moralisch. Kants starker Pflichtbegriff bedeutet also keine Erniedrigung des Menschen, sondern einen hohen Zuspruch an individueller Autonomie. Er bedeutet keine Entwürdigung, sondern einen sehr großen Anspruch an Freiheit. Dies zeigt Kants Beispiel eines Menschen, dem „Widerwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack am Leben gänzlich weggenommen haben“, so dass er nicht mehr am Leben hängt und es nicht mehr „liebt“, aber „sein Leben doch erhält“, „nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: alsdann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt.“ (4:398). Dieses Beispiel erhält angesichts der gegenwärtigen Debatte um Sterbehilfe eine besondere Relevanz.
Kant unterscheidet zwischen Handlungen aus Pflicht und bloß pflichtgemäßen Handlungen. Ein Kaufmann, der einem Kind korrekt Wechselgelt zurückgibt, wird dies in der Regel, sofern er als Kaufmann auf Gewinnmaximierung aus ist, nur aus Gründen der Legalität bzw. pflichtgemäß tun, damit sein Ruf und Geschäft nicht darunter leiden – also nicht „aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit“, aber auch nicht „aus Liebe keinem vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben“. Ebenso können wir aus moralischer Sicht drei Haltungen gegenüber der moralischen Norm einnehmen:
(1) Pflichtgemäßes Handeln: Wir beachten die moralischen Gebote, aber handeln z.B. aus Angst vor Strafe im Falle der Zuwiderhandlung.
(2) Handeln aus Pflicht: Wir handeln aus innerer Einsicht in das Prinzip der Pflicht.
(3) Handeln aus Liebe oder Neigung: Wir handeln, weil wir die moralische Handlung gerne tun.
Nacht Kant ist nur Handeln aus Pflicht im eigentlichen Sinne moralisch, weil wir darin unsere individuellen Neigungen mit einem objektiven und absoluten Prinzip konfrontieren, von dem wir mit Sicherheit wissen können, dass es moralisch ist. In Konfrontation mit diesem Prinzip werden unsere individuellen Neigungen ihn ihrer Geltung relativiert und, wenn nicht gänzlich zurückgewiesen, so doch diesem Prinzip nachgeordnet. Wir sind nach Kant keine heiligen Wesen, die von sich aus immer schon zum moralisch Guten tendieren, sondern als endliche Wesen tendenziell egoistisch und eigennützig orientiert. Deswegen ist unsere Einstellung zur Moral auch nicht die der Liebe, sondern immer eine Einstellung, die durch ein absolutes Gebot bestimmt ist. Kants Pflichtethik verlangt nicht, dass wir alle unsere Neigungen im moralischen Handeln unterdrücken, sondern dass wir sie im Sinne einer indirekten Pflicht so kultivieren, dass wir für das Sittengesetz empfänglich werden und nicht durch unbefriedigte Neigungen unmoralisch werden.