Neben der Naturethik, die die Frage nach dem (Eigen)Wert der Natur diskutiert, haben sich in den letzten Jahren noch speziellere Ethiken herausgebildet, die im Sinne der Umwelt- und Klimaethik auf ganz bestimmte Phänomene des Mensch-Natur-Verhältnisses reflektieren. Bei der Klimaethik handelt es sich um eine relativ neue Ethik. Der Mannheimer Philosoph Bernward Gesang (*1968) versucht in seinem 2011 erschienenen Buch „Klimaethik“, „die Klimaethik in Deutschland zu etablieren“. Es lassen sich zwei grundlegend verschiedene Zugänge zum Thema „Klimaethik“ unterscheiden. Man kann zum einen Klimaethik aus der Perspektive der Gerechtigkeitstheorie betreiben, wonach jene Staaten, die für den Klimawandel verantwortlich sind, solche Staaten, die vom Klimawandel betroffen sind, finanziell entschädigen. Klimagerechtigkeit kann sich aber auch so auf kommende Generationen beziehen, „dass es zukünftigen Generationen gleich gut wie gegenwärtigen geht.“ Gesangs Ziel besteht jedoch in der „Entwicklung einer eigenen utilitaristischen Position zur Klimaethik inklusive einer Kritik der gerechtigkeitsorientierten bisherigen Klimaethik.“ Gesang formuliert insofern das „utilitaristische Prinzip“ (UP): „Eine notwendige und hinreichende Bedingung für eine moralisch gerechtfertigte Relation zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen besteht darin, dass diese Relation so gestaltet wird, dass die Gesamtnutzensumme auf der Welt dadurch maximal wird.“ Er führt dieses Prinzip folgendermaßen weiter aus: „Die Klimapolitik ist so zu organisieren, dass die Glückssumme auf der Welt dadurch maximal wird. Eventuelle Lasten und Vorteile des Klimaschutzes sind demgemäß zu verteilen.“ (72 f.) Der Düsseldorfer Philosoph Dieter Birnbacher (*1946) hat in seiner Einführung in die Klimaethik die Disziplin der Klimaethik kritisch reflektiert. So stellt sich etwa die Frage, ob es sich dabei um eine bloße ‚Modethik‘ handelt, ob nicht die Umweltethik bereits ausreichend ist, und ob es ansonsten nicht auch eine „Wasser“ oder „Luftethik“ geben sollte. Dagegen argumentiert Birnbacher, dass es „gut Gründe“ gibt, „die Klimaethik aus dem Großkomplex der Umweltethik herauszulösen und zu einem eigenständigen Thema zu machen“. Denn das Phänomen des Klimawandelns betrifft ganz verschiedene traditionelle Teilbereiche der Ethik, die darin auf eine neue und problematische Weise in Bezug gesetzt werden: „Berührt ist vor allem die grundsätzliche Frage der Reichweite individueller und kollektiver moralischer Verpflichtungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht.“ Neben Fragen der Gerechtigkeit treten dabei Fragen nach der Handlungs- und Zeitlogik ins Zentrum, und damit auch moralpsychologische Fragen. Denn die Folgen und Wirkungen des Klimawandels betreffen uns oft nicht unmittelbar, sondern nur zeitlich verzögert, und oft auch andere Individuen und Kollektive als diejenigen, die ihn verursachen. Birnbacher spricht von einer „Asymmetrie von Verursachung und Betroffenheit“ (9), die zu „unguten Gefühlen und Abwehrhaltungen“ führt: „Das schlechte Gewissen drückt, aber gleichzeitig bestehen gegen Lösungsstrategien so starke Widerstände, dass sich trotz hohen Problembewusstseins nur wenig bewegt und sich in vielen Kreisen Resignation breitmacht.“ (10) Aus dieser kausalen Problematik resultiert die Problematik der Klimawandelleugnung. Deswegen unterscheidet Birnbacher zwischen klar raumzeitlich lokalisierbaren Umweltschäden und asynchronen Klimaschäden. Dies hat auch Auswirkungen auf das Problem moralischer Motivation: „Bei diesen Betroffenen [scil. des Klimawandels] handelt es sich zum größten Teil um unbekannte und aus heutiger Sicht nicht identifizierbare (‚statistische‘) Opfer. Entsprechend indirekt sind die Motivationen zur Bewältigung dieser Probleme. […] Anders als ‚Nächstenliebe‘ kann sich ‚Fernsten-Liebe‘, wie das Nietzsche genannt hat, auf keine sichere Basis im menschlichen Gefühlshaushalt stützen. Mitleid und Empathie reichen in den allermeisten Fällen nicht über das unmittelbar Präsente hinaus.“ (11) Birnbacher vertritt im Gegensatz zu Gesang eine verantwortungsethische Konzeption der Klimaethik. Er unterscheidet zwischen einer retrospektiven und einer prospektiven Verantwortung. Letztere kann in drei Hinsichten weiter differenziert werden: „die Absenkung der Treibhausgasemissionen (mitigation), den Ausgleich der bewirkten Schäden (compensation) und die Unterstützung bei der Anpassung an die Folgen der nicht rückgängig zu machenden Klimaänderungen (adaptation).“