Zusammenfassung 4. Sitzung, 4.12.2019: Mitleidsethik, Tierversuche, Tiertötung

Donald Trump hat auf seinem Twitter-Account angekündigt, dem Armeehund Conan für seine treuen Dienste – er half dabei, den ISIS-Chef Abu Bakr a-Bagdadi zu stellen – einen Orden zu verleihen. Dies wirkt auf uns aus mehreren Gründen befremdlich. Zum einen fassen wir Hunde nicht als Akteure auf, die für ihre Taten im moralischen oder auch nur gesellschaftlichen Sinne verantwortlich sind. Zum anderen zweifeln wir daran, dass der Orden für den Hund von Bedeutung ist, er also verstehen kann, um was es sich dabei handelt. Nichtmenschliche Tiere scheinen kein Bewusstsein von Ehre und Würde zu haben. Es scheint sich dabei also um einen klassischen Fall von Anthropomorphismus zu handeln. Tiere werden und wurden aber nicht nur fälschlicherweise geehrt, sondern auch verurteilt, wenn Sie Menschen getötet hatten. Auch dies scheint unserem menschlichen Bedürfnis zu entspringen, anderes Lebendiges außer uns als frei und zurechenbar anzusehen, also als prinzipieller Kommunikationspartner, als verständlichen Grund einer Handlung. Es gibt aber auch eine dazu entgegengesetzte Tendenz, nichtmenschliche Tiere ganz aus dem Kreis des Lebendigen auszuschließen. Der rationalistische Philosoph René Descartes (1596-1650) etwa vertrat die These, dass wir zwischen tierähnlichen Maschinen und lebenden Tieren prinzipiell nicht unterscheiden könnten. Wir haben ihm zufolge „gar kein Mittel, das uns nur den geringsten Unterschied erkennen ließe zwischen dem Mechanismus dieser Maschinen und dem Lebensprinzip dieser Tiere.“ Die Natur hat die Organe der Tiere nach Descartes so eingerichtet wie „eine Uhr, die nur aus Rädern und Federn gebaut ist“. Dieser mechanistischen Auffassung hatte bereits zuvor der französische Philosoph Michel de Montaigne (1533-1592) die These entgegen gesetzt, dass Tiere ebenso wie wir Menschen über eine Sprache verfügen und uns prinzipiell gleich gestellt sind: „Wer weiß, wenn ich mit meiner Katze spiele, ob sie sich die Zeit nicht mehr mit mir vertreibt, als ich mir dieselbe mit ihr vertreibe? Wir treiben wechselweise mit einander Possen.“ Tiere kommunizieren ihm zufolge auf subtilere Art als nur sprachlich: „Ihre Bewegungen reden.“

Neben utilitaristischen, interessenstheoretischen, kontraktualistischen und deontologischen Ansätzen gibt es mit der Mitleidsethik noch ein weiteres tierethisches Paradigma. Josephine Donovan verteidigt ihren mitleidstheoretischen Ansatz gegenüber deontologischen Kritiken, wonach dieser irrationalistisch sei. Sie betont dagegen, dass „Empfinden und Mitgefühl sowohl eine komplexe intellektuelle als auch emotionale Betätigung sei“. Dazu unterscheidet sie zwischen Empathie (Einfühlung) und Sympathie (Mitgefühl). Die Einfühlung ist stark emotional und motivational, wohingegen die Sympathie immer einen Vergleich des anderen Empfindens mit uns selbst beinhaltet und somit eine gewisse Distanz impliziert. Mitleidsethik ist so verstanden nicht so sehr eine Sache des Fühlens, sondern vielmehr eine Sache des Verstehens.

Aktuelle Probleme der Tierethik betreffen v.a. folgende Bereiche:

  • Tierzucht
  • Tierversuche
  • Jagd
  • Haustiere
  • Tierproduktion

Tierzucht ist insofern problematisch, als hier Tiere nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern als reines (ästhetisches) Objekt behandelt werden. Sie werden entweder so gezüchtet, dass sie besonders effektiv Fleisch und Milch produzieren, oder aber, dass sie einem bestimmten, variablen ästhetischen Ideal (z. B. Kindchenschema: Große Augen, kleine Nase) entsprechen. Mit der ästhetischen Veränderung (z.B. kleinere Schnauzen bei Hunden) gehen z.B. Probleme bei der Atmung einher. Tierversuche sind aus mindestens zwei Gründen fragwürdig: Zum einen stellt sich die Frage, ob sie überhaupt notwendig bzw. angemessen sind angesichts des damit verbundenen Leids. Zum anderen ist nicht immer klar, dass sich die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. Je nach ethischem Paradigma kann man diese Probleme anders bewerten. So kann man etwa Tierzucht entweder durch die Verletzung der Interessen der Tiere kritisieren. Hier könnte sich das Urteil ergeben, dass ästhetische Tierzucht problematischer als instrumentelle Tierzucht ist, da bei letzterer der natürliche Zweck nur übersteigert wird, während dieser bei ersterer völlig missachtet wird. Aus einer mitleidsethischen Perspektive würde es von dem Leid abhängen, welches die Zucht bei den Tieren hervorruft. Aus einer deontologischen Perspektive könnte man die Motive des Züchters problematisieren, denn beide Male wird das Tier zu einem bloß verfügbaren Mittel bzw. Gegenstand degradiert, was seinem Wesen als bewusstes und lebendiges Subjekt direkt widerspricht.