Handlungen sind ganz allgemein betrachtet kausale Verwirklichungen unserer Absichten bzw. Intentionen. Sie ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Wille und Rationalität und sind insofern Ausdruck unserer individuellen und kollektiven Freiheit. Unser Begehrungsvermögen (im weitesten Sinne) liefert die Energie und Motivation (die ‚Materie‘). Zu diesem volitionalen Vermögen zählen auch Wünsche, Triebe und Begierden. Unser Vermögen der Rationalität (im weitesten Sinne) liefert dagegen die Orientierung, Begründung, Rechtfertigung, Reflexion, Bewertung und Anleitung (die ‚Form‘). Hierzu zählen moralische Rationalität (nach Kant: kategorische Imperative) und bloß instrumentelle Rationalität (hypothetische, also bedingte Imperative). Begehrungsvermögen und Rationalität sind als solche nicht ausreichend für Handeln. Volitionale Zustände gehen in ihrem Begehren auf und verlangen als solche nicht nach einer Reflexion. Sie streben nach ihrer unmittelbaren Befriedigung. Ihr einziger Grund ist das Begehren selbst. Da wir oft verschiedene Arten von Begehrungen haben, genügt ein unkoordiniertes Begehrungsvermögen nicht, um zu einer Handlung zu gelangen. Um zu handeln, müssen wir unsere verschiedenen Begehrungen und Strebungen konzentrieren und fokussieren. Begehrung ohne Rationalität, Reflexion und Begründung ist bloße Willkür. Rationalität ohne entsprechenden Willen ist hingegen Willensschwäche: Wir tun das, von dem wir eigentlich der Auffassung sind, dass es nicht die beste Wahl ist.
Um zu handeln, ist also eine rationale Willensbildung nötig. Diese Willensbildung erfolgt durch Deliberation, d.h. das Abwägen von Handlungsgründen. Eine Deliberation kann dadurch beendet werden, dass ich mich nach genügender Reflexion bewusst für eine Handlungsoption entscheide. Individuelle Entscheidungen sind begründet und können im Rahmen einer autobiographischen Geschichte gerechtfertigt werden. Kollektive Handlungen werden durch komplexe institutionelle Vorgänge (z.B. Wahlen, Geschäftsordnungen, Mandate) beschlossen und durch Organe (z.B. den Vorstand) ausgeführt. Kollektiven Handlungen liegt eine institutionalisierte kollektive Willensbildung („joint commitment“) zugrunde, die sich ebenfalls im Form einer Erzählung weiter verständlich machen lässt, denn juristische Personen haben eine Rechenschaftspflicht. Black-Box-Phänomene, die uns nur Auskunft über Input und Output, jedoch nicht über die Verhandlung und Begründung geben, sind insofern mit individuellen und kollektiven Handlungen nicht vereinbar.
Was ist nun eigentlich eine Handlung? Besteht eine Handlung bereits in einfachen Körperbewegungen, dem Bewegen des Arms? Kann auch das Fassen eines Entschlusses oder Gedankens als Handlung aufgefasst werden? Handlungen sind in der Regel komplexe Prozesse, die aus verschiedenen Teil- bzw. Basishandlungen bestehen. Basishandlungen konstituieren komplexe Handlungen. Basishandlungen sind irreduzible Momente komplexer Handlungen („Handlungsschritte“). Oft haben Handlungsschritte einen bestimmten Ort und sind nicht beliebig umkehrbar. Sie folgen einer Handlungslogik, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist. Ein gutes Beispiel für eine komplexe Handlung ist das Backen eines Kuchens. Eine irreduzible Basishandlung wäre hier etwa das Anschalten des Backofens. Sie ist erst dann notwendig, wenn der Kuchen fertig oder fast fertig ist (etwa zum Vorheizen), jedoch nicht schon zu Beginn der komplexen Handlung, die sich je nach Gebäck sehr lange erstrecken kann. Ist eine komplexe Handlung also mehr als die Summe ihrer Basishandlungen? Handlungen müssen koordiniert und komponiert sein; sie weisen eine raumzeitliche Ausdehnung auf. Handlungen können auch misslingen bzw. verhindert werden. Ein Handlungsversuch setzt einen Entschluss bzw. einen gebildeten Willen voraus. Eine Handlung kann etwa dann misslingen, wenn bei der Willensbildung nicht genügend (instrumentelle) Rationalität beteiligt war. Sind auch Unterlassungen Handlungen? Dafür spricht, dass das Strafgesetzbuch den Sachverhalt der „Unterlassenen Hilfeleistung“ kennt (StGB § 323c): „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Es scheint also, dass wir nicht nur für etwas verantwortlich sein können, was wir tun, sondern auch für etwas, was wir nicht tun bzw. unterlassen. Denn auch ein Unterlassen setzt eine bewusste Entscheidung für etwa – das nicht-Tun – voraus.