Zusammenfassung: Der Ekel bei Sartre und Nussbaum

Wenn wir an den Ekel denken, dann assoziieren wir damit in der Regel keine Emotion, sondern höchstens einen impulsiven Affekt, oder gar nur eine unwillkürliche, unkontrollierte Reaktion, z.B. einen Würgereflex. Jean-Paul Sartre und Martha Nussbaum bestimmen den Ekel hingegen als eine Emotion. Während Sartre den Ekel individualistisch-existenzialistisch bestimmt, analysiert Nussbaum ihn aus der Perspektive intersubjektiven der Sozialpsychologie und Sozialphilosophie.

In seinem Roman Der Ekel (1938) schildert Sartre phänomenologisch die Erfahrung des Ekels anhand des Protagonisten, der die Wurzel eines Kastanienbaumes betrachtet. Diese Wurzel wird ihm zum Anlass einer existenzialistischen Erfahrung, genauer: der Erfahrung der Existenz. Existenz ist mit einem Male keine „abstrakte Kategorie“ mehr, so wie sie etwa zuvor Kant bestimmt hatte, als er die These vertrat, Existenz sei kein reales Prädikat. Existenz tritt mit einem Male als etwas hervor, was sich enthüllt und so als obszön erscheint. Der Protagonist schildert diese Erfahrung der reinen Existenz als ekelerregend, insofern die Dinge um ihn herum zu einer „wabbeligen Masse“ verschmelzen und sinnlich durch einen „grünen und fauligen Geruch“ wahrgenommen werden. Ferner assoziiert der Protagonist die Existenz mit „Verschimmeln“ und „Obszönität“. Doch ist der Ekel nur ein Moment innerhalb eines größeren Erkenntnisprozesses des Protagonisten über die Existenz. Am Ende steht ihre Erkenntnis nicht so sehr als etwas Ekelhaftes, als vielmehr Absurdes. Die Absurdität ist der „Schlüssel der Existenz, de[r] Schlüssel [s]eines Ekels“.

Martha Nussbaum argumentiert, dass der Ekel nicht nur als ein körperliches Phänomen verstanden werden kann, sondern dass er als Emotion einen „complex cognitive content“ hat, der in der Erkenntnis besteht, etwas Schädliches in sich aufzunehmen. Der Ekel kann somit auch sozial als Reaktion auf etwas Fremdes verstanden werden, was nicht assimilierbar ist. Nussbaum argumentiert, dass der Ekel als Emotion noch stärker und aggressiver ist als bloße Abneigung oder Angst. Ekel ist eine Ablehnung eines Objekts. Nussbaum argumentiert nun, dass das Objekt des Ekels in den meisten Fällen sozial konstruiert ist.

Es zeigt sich damit, dass Emotionen durch ihre kognitive Dimension in sich ambivalent sind. Sie beinhalten eine Dynamik, die bei ‚eintönigen‘ Stimmungen und Affekten so nicht vorhanden ist.