Zusammenfassung 13. Sitzung, 15.7.2020 – Van Inwagen, Kit Fine

Der US-amerikanische Philosoph Peter van Inwagen (*1942) befasst sich in seinem Buch Material Beings (1990) mit der Frage, wie materielle Dinge zusammengesetzt sind. Er vertritt die These, dass materielle Teilchen nur dann ein Einzelding bzw. eine Substanz bilden, wenn diese Teilchen durch das Prinzip des Lebens geeint sind. Daraus folgt die auf den ersten Blick kontraintuitive These, dass künstliche Substanzen wie Tische und Stühle („substances existing by art“), aber auch „substances existing by chance“ wie Steine und Holzstücke nicht eigentlich existieren, da sie von ihren Teilen nicht durch das Prinzip des Lebens strukturiert sind. Wir können mit Blick auf Steine und Tische nur uneigentlich bzw. metaphorisch von Existenz sprechen. Sie sind in ihrer Existenz nicht stabil, da sie ihr Identitätsprinzip nicht in ihnen selbst tragen und sich selbst durch Regeneration aufrechterhalten, wie es bei Leben (im Plural) der Fall ist. Wir können deswegen bezüglich Steinen und Tischen nur so von Existenz sprechen, wie wir davon sprechen, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Van Inwagen geht es also nicht um die Existenz von Atomen oder sonstigen basalen physikalischen Teilchen, sondern um den ontologischen Status von zusammengesetzten Teilen. Steine existieren ihm zufolge insofern nicht eigentlich

Der englische Philosoph Kit Fine (* 1946) analysiert verschiedene entgegengesetzte Positionen bezüglich nichtexistierender Gegenstände. Er unterscheidet zwischen Platonismus/Empirismus, Literalismus/Kontextualismus, Internalismus/Externalismus.

Platonismus: Nicht-existierende Gegenstände wie z.B. Fiktionen hängen nicht von psychischen und empirischen Vorgängen oder Akten ab, sondern existieren notwendigerweise.

Empirismus: Nicht-existierende Gegenstände wie Fiktionen sind von der empirischen Realität ihres Erfinders abhängig und existieren daher nur kontingenterweise.

Literalismus: Fiktive Gegenstände wie z.B. Sherlock Holmes haben ihre (angedichteten) Eigenschaften wirklich und an sich.

Kontextualismus: Fiktive Figuren wie Sherlock Holmes haben ihre (angedichteten) Eigenschaften nur im Kontext der Erzählungen, in denen sie auftreten.

Internalismus: Fiktive Gegenstände wie Sherlock Holmes werden durch ihre internen Eigenschaften individuiert, und diese Eigenschaften besitzen sie im Kontext, in denen sie erscheinen (vgl. Kontextualismus). Wir haben nur innerhalb dieser Kontexte Zugang zu diesen Eigenschaften.

Externalismus: Fiktive Gegenstände wie Sherlock Holmes können nicht durch interne (innerfiktionale) Eigenschaften, sondern nur durch externe (außerfiktionale) Eigenschaften individuiert und bestimmt werden. Wir können nur durch die äußere, wirkliche Welt Zugang zu den Eigenschaften des Gegenstandes haben, wie die psychologische Beziehung des Autors zu seinem Werk (vgl. Empirismus).

Fiktionale Gegenstände führen deswegen nach Fine ein „doppeltes Leben“: Auf der einen Seite haben sie Eigenschaften nur in den Kontexten (Fiktionen, Geschichten), in denen sie auftreten. Auf der anderen Seite sind sie auch mit der wirklichen Welt verbunden: Sie sind durch ihre Autorinnen und Autoren erschaffen worden, und sie werden durch Leser rezipiert und vor dem geistigen Auge erschaffen.