Zusammenfassung Tierethik-Seminar, 23.10.2019: Mensch vs. Tier?

Im Alltag werden häufig die Wörter „Mensch“ und „Tier“ als miteinander inkompatibel oder gar gegensätzlich gebraucht. Einem solchen Verständnis liegt die Auffassung zugrunde, dass Menschen mehr sind als „bloße“ Tiere, und dadurch auch einen anderen, höheren moralischen Status besitzen. Entwicklungsbiologisch gesehen sind wir Menschen freilich „nur“ Tiere, also menschliche Tiere. Nach dieser Ansicht sind „Mensch“ und „Tier“ nicht inkompatibel, sondern „Mensch“ ist nur eine genauere Spezifizierung von „Tier“: ein menschliches Tier. Was aber unterscheidet menschliche Tiere von anderen Tieren? Gewöhnlich werden hier besondere Fähigkeiten und Vermögen betont: Selbstbewusstsein, Willensfreiheit, Sprache und Denken. Können wir aber von diesen Eigenschaften, die nicht einmal alle Menschen – aktual oder potentiell – aufweisen, auf einen besonderen moralischen Status gegenüber anderen Tieren schließen?

Es ist strittig, ob Menschen einen bloß quantitativen/graduellen oder einen gar qualitativen/kategorischen Unterschied zu anderen Tieren aufweisen. Vertreter der ersten Position werden Assimiliationisten, Vertreter der zweiten auch Differentialisten genannt. Die Evolutionstheorie legt nahe, dass zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren ein nur gradueller Unterschied besteht. Allerdings sind im Laufe der Zeit so viele Menschenarten der Gattung Homo ausgestorben (homo erectus, homo floresiensis, homo heidelbergensis, …), dass die Entfernung des homo sapiens zu seinen nächsten noch lebenden Verwandten als sehr groß erscheint (vgl. dazu das Buch „The Gap“ von Thomas Suddendorf). Die Ansicht, dass Menschen nur aufgrund ihrer Artzugehörigkeit einen höheren moralischen Status als Tiere anderer Art besäßen, wird in Analogie zum Rassismus als „Speziesismus“ bezeichnet.

Unser Verhältnis zu nichtmenschlichen Tieren ist niemals objektiv, sondern immer durch unsere menschliche Art vorstrukturiert. Wir neigen dazu, alles am Maßstab des Menschen zu messen. Diese Tendenz kann als Anthropozentrismus und als Anthropomorphismus bezeichnet werden. Der Anthropozentrismus führt häufig zum Speziesismus. Der Anthropomorphismus führt nicht selten dazu, dass wir nichtmenschlichen Tieren menschliche Verhaltensweisen, Emotionen oder gar Gedanken unterstellen, die sie so eigentlich gar nicht besitzen.

Man kann nun die „Rechte“, den „Schutz“ oder die „Würde“ von Tieren, die ihr Tötungs- oder Instrumentalisierungsverbot einschließen, auf verschiedene Weisen zu begründen versuchen. Dabei kann man auf verschiedene moralphilosophische Paradigmen rekurrieren:

  • Deontologie: Unsere Vernunft verbietet uns, Tiere zu quälen oder zu töten.
  • Konsequentialismus/Utilitarismus: Tiere zu töten oder zu quälen hat negative Konsequenzen zur Folge und soll daher unterlassen werden.
  • Mitleidsethik: Auch nichtmenschliche Tiere sind leidensfähig, und wir sollten uns daher mit ihnen identifizieren und ihr Leid vermindern.
  • Tugendethik: Tiere zu töten oder zu quälen ist schlecht für unseren moralischen Charakter. Tugenden wie Achtsamkeit gegenüber der Natur sind zu kultivieren.
  • Vertragsethik/Kontraktualismus: Wir müssen mit Tieren – und sei es nur advokatisch – einen Vertrag schließen, der ihre Rechte sichert.