Zusammenfassung: Ästhetik der Immersion (21.6.2019)

Wie der Begriff der Virtualität, so ist auch die Kategorie der Immersion nicht ausschließlich auf die Sphäre der Digitalität beschränkt. Sie kommt allgemein dann zur Anwendung, wenn Rezipienten durch ein Medium – sei es Film, Kino, Fernsehen, Radio, usw. – dermaßen einbezogen werden, dass sie den fiktiven Inhalt selbst als Realität auffassen. Dies kann durch verschiedene Mittel und Techniken geschehen:

  • Realistische Simulation einer 3D-Welt (wie etwa in Computerspielen)
  • Hoher Grad an Interaktion mit künstlichen Gegenspielern und Objekten
  • Hoher Identifikationsgrad mit einem Protagonisten oder einem Avatar (Spielfigur, die selbst gesteuert wird)
  • Fesselnde Geschichte

Es liegt auf der Hand, dass Immersion dann besonders gut gelingt, wenn die menschlichen Sinnesorgane besonders realistisch angesprochen werden (etwa durch eine Simulation eines dreidimensionalen Raumes). Doch kann eine fesselnde Geschichte, die eine ganz eigene Welt entwirft (wie es etwa bei Romanen der Fall ist), den Rezipienten so beeindrucken, dass er sie förmlich miterlebt. Freilich ist eine solche Rezeption eine unmittelbare, die die Reflexion auf die fiktiven Inhalte vermeidet. Denn die Reflexion würde gerade der Unmittelbarkeit der Immersion entgegenstehen. Immersion bedeutet entweder das „Sich-Einlassen“ auf eine Geschichte, oder aber die realistische Simulation einer Welt (visuell, akustisch, haptisch, olfaktorisch, …), wobei der visuelle Aspekt sicherlich der dominante ist. Dies zeigt sich paradigmatisch anhand der Entwicklung der Computerspiele. Das Spiel „Pong“ aus dem Jahr 1972 etwa besteht aus schwarzen und weißen Balken, die zu einer Art primitivem Fußballspiel organisiert sind. Spieler müssen ein kleines weißes Quadrat, gleich einem Fußball, in das gegnerische Tor befördern. Um dies zu realisieren bzw. zu vermeiden, steuern sie auf einer vertikalen Achse senkrechte Balken, die bei Berührung den Ball zurückspielen.

Das Spiel „Commander Keen“ aus dem Jahr 1992 besteht darin, dass der Nutzer die gleichnamige Spielfigur aus der Sicht der dritten Person durch eine zweidimensionale Welt bewegt und darin bestimmte Rätsel löst und Gegner tötet, also mit der Spielwelt interagiert. Trotz der recht simplen Grafik ist durch die Einbindung in eine Geschichte ein gewisses Identifikations- und Immersionspotenzial enthalten.

Das Spiel „Wolfenstein 3D“ aus dem Jahr 1992 erzeugt durch eine raffinierte Technik (die sogenannte „Raycasting- oder Raytracing-Engine“) die Illusion einer dreidimensionalen Welt, durch die sich der Spieler aus der Perspektive der ersten Person bewegt. Hier wird der Spieler selbst an die Stelle des Avatars gesetzt. Er kann sich frei in verschiedene Richtungen bewegen, Türen öffnen und Gegenstände verwenden. Die Spielwelt wird zunehmend interaktiv. Die damit verbundene Immersion hat sich seitdem durch Spiele wie „Quake“ und „Unreal“ stetig erhöht. Die Unreal-Engine 4 erlaubt es heute, nahezu fotorealistische Spielwelten zu generieren.

Hier stellt sich nun die Frage, ob das Phänomen der Immersion als Fiktion, Simulation oder virtuelle Realität interpretiert werden kann. Auch wenn auf psychologischer Ebene phasenweise Verwechslungen mit der Realität möglich sind, so spricht doch einiges dafür, dass es sich dabei um bloße Simulationen handelt. Denn sie besitzen keine Verbindlichkeit und Ordnung, die in andere Realitäten und Werte umtauschbar wären. Anders verhält es sich, wenn zwei oder mehrere freie Personen gegeneinander in Computerspielen antreten (wie etwa in Fußballsimulationen oder 3D-Shootern). Es handelt sich dann nicht mehr um Simulationen eines Spiels, sondern um ein Spiel, welches realen Bestand hat, doch in einem anderen Modus (d.h. virtuell) realisiert wird.

Virtuelle Realität scheint wesentlich mit Freiheit zu tun zu haben. Der wertvolle Geldschein ist eine Form der Befreiung von seiner materiellen (wertvollen) Basis. Er ist eine andere Form seiner Realisierung. Es scheint, als ob die virtuelle Realität erst seit kurzer Zeit Beachtung in der Ontologie findet. Zwar existierten bereits virtuelle Gegenstände, Unternehmen oder Geldscheine vor der Entwicklung digitaler Technik. Doch hat erst die Digitalisierung der Virtualität ihre besondere Bedeutung ermöglicht. Diese besteht darin, dass nun die virtuelle Existenz nicht mehr von physikalischen „Trägern“ wie das Papier von Geldscheinen abhängig ist. Virtualität wird immer mehr als ontologischer Bereich eigenen Rechts erkannt, je mehr er sich von physikalischer und raumzeitlicher Bindung befreit.