Zusammenfassung: Ästhetik der virtuellen Realität

Auch Kunstwerke und die künstlerische Praxis lässt sich virtualisieren. Auch hier erweist sich die Digitalisierung als Schlüsseltechnologie und Schlüsselmedium, welches die geeigneten Konstitutionsbedingungen dafür liefert, dass etwas zu einem virtuellen Kunstwerk wird. Wenn die Digitalisierung einen virtuellen Handlungsraum eröffnet, dann eröffnet sie damit auch einen virtuellen Raum für Kunst. Virtuelle Kunst ist nicht auf die Technik der Digitalisierung (Software, Hardware, …) reduzierbar, ohne an Bedeutung zu verlieren. Auch ein physisches, nicht-digitales/virtuelles Gemälde von Picasso ist mehr als nur Farbe auf Leinwand. Virtuelle Kunst gehorcht einer anderen Raum-Zeit-Logik als physische Kunst.

Eine zentrale Rolle im Bereich virtueller digitaler Kunst spielen sogenannte „non-fungible token“ (NFTs). Bei einem NFT handelt es sich um ein nicht-austauschbares und daher individuelles und einmaliges Unikat. Obwohl in der modernen Kunst der Gedanke des Unikats, etwa durch die Arbeiten von Andy Warhol, zunehmend problematisiert wurde, so ist er doch aus einer ökonomischen Perspektive nach wie vor bedeutsam. NFTs wirken der allgemeinen Tendenz der Digitalisierung entgegen, Objekte beliebig vervielfältigbar zu machen. Denn durch ihre immaterielle Existenz, die sich aus lauter Information zusammensetzt, sind beliebige identische Kopien möglich. NFTs virtualisieren physisch gebundene Kunst in verschiedener Hinsicht. Zum einen lösen sie sich von der materiellen Basis, zum anderen gewinnen sie dadurch neue Eigenschaften hinzu, welche insbesondere das Verhältnis von Kunstwerk und Künstler betreffen. Da NFTs dieselbe Struktur wie Bitcoins haben und ihre Identität durch objektive digitale Krypto-Verfahren garantiert wird, welche sich der Technologie der Blockchain verdanken, erlauben sie es, den Künstler bei Wertsteigerungen mit zu berücksichtigen.

Dynamisiert wird virtuelle digitale Kunst durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Künstliche Intelligenz wird einerseits dafür eingesetzt, selbst Kunst zu produzieren. Hier stellt sich die Frage, ob KI überhaupt Originalität und Kunstverstand zugesprochen werden kann. Künstliche Intelligenz kann zwar Muster erkennen, sie besitzt, um mit Kant zu sprechen, bestimmende Urteilskraft. Sie scheint jedoch nicht das Vermögen der reflektierenden Urteilskraft zu besitzen, also neue Muster kreativ zu entwickeln. Künstliche Intelligenz lässt sich jedoch in den kreativen Schaffensprozess so einbeziehen, dass sie als eine Art virtuelle Muse gebraucht wird, indem sie uns auf Muster aufmerksam macht, welche wir selbst entweder nicht erkennen, oder aber mit uns in ein interobjektives Kunstverhältnis im Sinne der Mensch-Maschine-Interaktion tritt.