Zusammenfassung: Die Dialektik der Aufklärung nach Horkheimer/Adorno

Theodor W. Adorno (1903-1969) und Max Horkheimer (1895-1973) haben im US-amerikanischen Exil gemeinsam ihre Schrift „Dialektik der Aufklärung“ verfasst, die dort erstmalig auf Deutsch im Jahr 1944 und dann 1947 in einer größeren Auflage erschien. Die Schrift entstand insbesondere vor dem Hintergrund von Faschismus und Kapitalismus als modernen Gesellschaftsformen des 20. Jahrhunderts. Die Autoren verstehen das Ziel der Aufklärung ganz allgemein als Versuch, „von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen“, „die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen [zu] stürzen“, also „die Entzauberung der Welt“ zu bewirken (9). Sie diagnostizieren jedoch eine Ambivalenz der Aufklärung, denn „die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils“ (9). Wie zuvor Hegel und Hume soll in der Aufklärung der Verstand den Aberglauben besiegen und „über die entzauberte Natur gebieten“ (10). In der Aufklärung erhält demnach der Verstand durch seinen Kampf gegen den Aberglauben eine Macht und Gewalt. Diese Macht aber ist in der Aufklärung nicht kontrolliert, sondern grenzenlos und wird damit gefährlich: „Das Wissen, das Macht ist, kennt keine Schranken, weder in der Versklavung der Kreatur noch in der Willfährigkeit gegen die Herren der Welt.“ Die Macht des aufklärerischen Wissens besteht nach Horkheimer und Adorno in der „Technik“ (10), die ihr „Wesen“ ausmacht. Vom englischen Philosophen Francis Bacon (1561–1626), dem Begründer der neuzeitlichen Wissenschaft, stammt der Ausspruch „Wissen ist Macht“, was als Ausdruck von Naturbeherrschung verstanden werden kann. Die technische Dimension der Aufklärung ist im Ausgang von Bacon, da Technik für sie wesentlich ist, im Grunde technizistisch, d.h. sie misst alles an ihrem Methodenideal der instrumentellen Vernunft: alles soll gemäß diesem Wissen als Mittel zum Zweck der Optimierung gebraucht werden: „Es zielt nicht auf Begriffe und Bilder, nicht auf das Glück der Einsicht, sondern auf Methode, Ausnutzung der Arbeit anderer, Kapital.“ (10) Horkheimer und Adorno kritisieren an dieser Form von Aufklärung, dass sie abstrakt und „rücksichtslos“ geworden ist und „den letzten Rest ihres eigenen Selbstbewußtseins ausgebrannt“ hat. Dies bedeutet, dass sie kritisieren, dass die Aufklärung keine selbstkritischen Tendenzen mehr besitzt. Die Aufklärung hat in ihrem Kampf gegen den Aberglauben und um die Naturbeherrschung zu einem „hart[en]“ Denken geführt, „das sich selbst Gewalt antut“ (10). Die neuzeitliche Aufklärung hat zum Verlust von „Sinn“ geführt, also der tieferliegenden Bedeutung hinter dem Handeln. Die aufgeklärten Menschen „ersetzen den Begriff durch die Formel, Ursache durch Regel und Wahrscheinlichkeit“ (11). Dies bedeutet, dass der Zugang zur Wirklichkeit immer abstrakter und unpersönlicher wird. Der normative Maßstab ist für die Aufklärung das „Maß von Berechenbarkeit und Nützlichkeit“ (12). Aufklärung wird dadurch „totalitär“, dass sie sich das System zum Ideal setzt, so dass „nur anerkannt [wird], was durch Einheit sich erfassen läßt“ (13). Die Autoren der „Dialektik der Aufklärung“ vertreten die These, dass das Ideal der Aufklärung nicht nur in der Systematisierung, sondern auch in der Quantifizierung liegt, die dabei hilft, alles vergleichbar und berechenbar zu machen und damit zu beherrschen und zu kontrollieren. Die formale Logik ist deswegen für die Aufklärung „die große Schule der Vereinheitlichung“ (13) und ermöglichte ein „Schema der Berechenbarkeit der Welt“. Die Zahl, also das Quantifizierbare, „wurde zum Kanon der Aufklärung“. Die „bürgerliche Gesellschaft“ samt Kapitalismus „ist beherrscht vom Äquivalent. Sie macht Ungleichnamiges komparabel, indem sie es auf abstrakte Größen reduziert. Der Aufklärung wird zum Schein, was in Zahlen, zuletzt in der Eins, nicht aufgeht“ (13 f.). Bei genauer Betrachtung erweist sich das Verhältnis von Aufklärung und Mythos als komplex, denn „die Mythen, die der Aufklärung zum Opfer fallen, waren selbst schon deren eigenes Produkt.“ (14) Denn auch der Mythos will „berichten, nennen, den Ursprung sagen: damit aber darstellen, festhalten, erklären“. Ebenso wie „die Mythen schon Aufklärung vollziehen“, „so verstrickt Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie“. Zwischen Aufklärung und Mythos herrscht also ein dialektisches Verhältnis, eine verborgene Abhängigkeit, so wie dies bereits zuvor Hegel mit Blick auf das Verhältnis von Aberglaube und Aufklärung bemerkt hatte: „Allen Stoff empfängt sie [die Aufklärung] von den Mythen, um sie zu zerstören, und als Richtende gerät sie in den mythischen Bann. Sie will dem Prozeß von Schicksal und Vergeltung sich entziehen, indem sie an ihm selbst Vergeltung übt.“ (18) Die Aufklärung kämpft so gegen den Mythos, dass sie ihn als Natur und Naturgesetzlichkeit fasst, der gegenüber der Mensch frei und autonom ist. Dadurch wird der Mensch am Ende von der Aufklärung nicht mehr als Naturwesen, sondern nur noch formal und abstrakt „zum transzendentalen oder logischen Subjekt sublimiert den Bezugspunkt der Vernunft, der gesetzgebenden Instanz des Handelns“ (36).