Zusammenfassung: Ontologie der Digitalität (12.7.2019)

Die Frage, inwiefern digitale Gegenstände, Ereignisse und Handlungen existieren, darf als eine der spannendsten Fragen der gegenwärtigen Ontologie gelten. Zentrale Begriffe im Kontext einer Ontologie der Digitalität sind „Virtualität“, „Simulation“, „Fiktion“, „Objekt“ und „Illusion“. Der Philosoph Philip Brey hat im „Oxford Handbook of Virtuality“ darüber einen Aufsatz mit dem Titel „The physical and social reality of virtual worlds“ verfasst (2014) und konstatiert: „Currently, there is widespread ontological confusion about virtual reality and its relation to the real world, which contributes to a flawed understanding of virtual reality and its potential” (43). Brey unterscheidet zwischen virtuellen und realen Äpfeln. Während reale Äpfel physikalisch und raum-zeitlich beschreibbar sind (sie haben eine bestimmte Größe, ein Gewicht, einen Ort, …), so ist dies bei virtuellen (digitalen) Äpfeln nur schwer möglich. Doch sind auch virtuelle Äpfel (wie etwa in einem Computerspiel) gewisse ontologische Objekte, denn sie sind objektorientiert programmiert worden. Brey sieht die Lösung für die Konfusion der Begrifflichkeit in folgender Unterscheidung: „[Virtual apples] exist as virtual apples, just like imitation apples made out of clay or plastic exist as imitation apples but not as real / apples. A virtual apple is a real entity, just not a real apple.” (43 f.) Digitalen Gegenständen kommt, obwohl sie nicht real sind, nach Brey eine gewisse Objektivität und ein gewisser ontologischer Status zu: “Digital objects qualify as objects because they are persistent, unified, stable structures with attributes and relations to other objects, and agents can use and interact with them.” (44) Brey verweist auf die Computer-Hardware und –Software, welche die digitalen Objekte erst ermöglicht: „Their unity and behavioral consistency is guaranteed by the underlying hardware and soft ware.” (44) Allerdings muss man hier kritisch zwischen Genese und Geltung von digitalen Objekten unterscheiden. Der ontologische Status eines digitalen Objekts scheint nicht durch seine technische Erzeugung hinreichend bestimmt zu sein, ebenso wie Qualia nicht durch hirnorganische Prozesse wesentlich bestimmt sind. Eine besondere Rolle kommt nach Brey der Sozialontologie vor, welche Institutionen und Geld betrifft, die nicht physikalisch realisiert werden müssen. Während die physikalische Realität nur digital simuliert werden kann, kann die soziologische Ontologie in virtuellen Umgebungen reproduziert werden (etwa Geld in Form von Bitcoins). Hier stellt sich jedoch die Frage, wie mit dem blauen Partyhut aus Runescape umzugehen ist. Er ist ja eindeutig funktional ein Hut, aber nicht nur eine Simulation davon, sondern ein Gegenstand, der teurer als die meisten physikalischen Hüte ist. Die Gegenüberstellung von Realität und Virtualität ist also dafür nicht zutreffend. Vielmehr scheint Virtualität ein Fall von Realität zu sein, nämlich eine Ontologie zu beschreiben, die nicht physikalisch realisiert ist (und nicht mit mentalen und ideellen Gegenständen identisch ist). Entscheidend für Realität ist die Relationalität eines Objekts. Erst dann, wenn es sich in einem intersubjektiv zugänglichen Feld befindet, scheint es real zu sein. Realität ist keine physikalische, sondern eine relationale Kategorie. Dies ist bei Einzelspieler-Computerspielen nicht der Fall, weswegen es sich hierbei nur um Simulationen und digitale Objekte handelt (die freilich auch als simulierte Objekte existieren). Sobald man jedoch ein Computerspiel zu zweit spielt, wird es in ein intersubjektives Feld einbezogen und wird von einer bloßen Simulation zu einer (virtuellen) Realität erhoben. Spannend ist die Frage, wie es sich bei Schachspielen verhält, die man gegen den Computer spielt. Handelt es sich dabei um ein reales oder nur um ein simuliertes Schachspiel? Da alle Regeln auch hier gelten (wenngleich die Figuren digitale Objekte darstellen), scheint es sich um ein reales Schachspiel zu handeln (anders freilich bei einem simulierten Fußballspiel gegen den Computer, das raum-zeitlich abstrahiert). Es lassen sich insofern besonders solche Gegenstände in virtuelle Realität überführen, die nicht raumzeitlich abhängig sind (z.B. Geld).