Einführung in Spinozas Ethik

Spinozas 1677 posthum veröffentlichte „Ethik“ besteht aus fünf Teilen und befasst sich mit Gott (1), mit dem Geist (2), mit den Affekten (3), mit der menschlichen Unfreiheit durch Affekte (4) sowie mit der menschlichen Freiheit als Macht des Verstandes (5). Seine Ethik wird nach geometrischer Ordnung (ordo geometrico) bewiesen (demonstrata), folgt also dem rationalistischen Ideal absolut gewisser Erkenntnis aus gewissen Grundsätzen und draus folgenden logischen Ableitungen bzw. Deduktionen, ebenso wie in der Geometrie Beweise angestellt werden. Spinoza führt in seiner Ethik grundlegende metaphysische Themen methodisch mit streng logischer Ableitung eng. Der erste Teil über Gott beginnt mit acht sehr grundlegenden Definitionen, die zentrale metaphysische Begriffe näher bestimmen, gefolgt von Axiomen und konkreteren Lehrsätzen.

Die erste Definition befasst sich mit dem Begriff der „Ursache seiner selbst“, lateinisch „causa sui“ (II,2). Gott wird also zunächst ganz allgemein als Ursache seiner selbst bestimmt. Wie aber kann etwas Ursache seiner selbst sein? Handelt es sich dabei nicht um eine logische und damit auch metaphysische Unmöglichkeit, im Sinne eines Zirkels bzw. einer petitio principii? Ist eine Ursache nicht immer die Ursache von etwas anderem als sie selbst? Spinoza bestimmt die Ursache seiner selbst als etwas „dessen Essenz Existenz einschließt“ bzw. „dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann“. Während z.B. ein Apfel durchaus als nicht existent begriffen werden kann, ohne dass sich daraus ein Widerspruch ergibt (sofern man sich etwa einen Apfel auf dem Tisch denkt und dann diesen Apfel nicht auf dem Tisch denkt), so fordert der Begriff Gottes, dass Gott existiert, und es ist nicht möglich, Gott zu denken, ohne dass er existiert. Hier besteht eine systematische Nähe zum ontologischen Gottesbeweis, wie er zuvor bei Thomas von Aquin und René Descartes unternommen worden war, da auch hier die Existenz aus dem Begriff geschlossen wurde.

Endlich ist nach Spinoza etwas, was von etwas anderem derselben Natur eingeschränkt werden kann. Ein Körper A kann einen Körper B einschränken, weil er größer als er ist, also ist Körper A endlich.

Eine Substanz ist etwas, was durch sich selbst bestimmt ist, da es an sich und aus sich existiert, anders als eine Eigenschaft, die immer nur mit Blick auf eine Substanz ausgesagt werden kann. Hierin liegt auch eine freiheitstheoretische Bestimmung der Substanz begründet, da sie gewissermaßen ‚autonom‘ existiert.

Nach Definition 7 versteht Spinoza unter Freiheit etwas, dass notwendig aus sich heraus existiert und nur von sich selbst bestimmt wird, während im Gegensatz dazu Unfreiheit darin besteht, von etwas anderem bestimmt zu werden. Diese Eigenschaft der Freiheit weist die Substanz auf.

Nach Lehrsatz 6 kann eine Substanz, da sie ja aus sich selbst heraus existiert, nicht von einer anderen Substanz hervorgebracht worden sein.

Daher muss Gott entsprechend seiner Definition (1) als Ursache seiner selbst als Substanz verstanden werden. Es kann in der Natur nur eine einzige Substanz existieren (Lehrsatz 10, Anmerkung).

Daher muss alles, was existiert, in Gott sein und kann nicht ohne ihn existieren und begriffen werden. Das ist Spinozas zentraler Pantheismus oder auch Panentheismus (Lehrsatz 15).

Unter einem Attribut wird gemeinhin nur eine bestimmte Eigenschaft einer Substanz verstanden, jedoch nicht ihr Wesen. Z.B. hat ein Apfel eine rote Farbe, Von diesem Verständnis unterscheidet sich jedoch Spinozas Begriff (Def. 4), denn ein Attribut ist gerade „das, was der Verstand an einer Substanz als deren Essenz ausmachend erkennt.“

Ein Modus ist nach Def. 5 dagegen dasjenige, was man gewöhnlich unter einem Attribut versteht. Spinoza beschreibt ihn als eine „Affektion einer Substanz“, die nur durch diese Substanz auch begriffen werden kann.

Da nach Lehrsatz 9 die Realität eines Dinges von ihren Attributen abhängt, so muss Gott aus unendlich vielen Attributen bestehen (Lehrsatz 11) und somit auch aus unendlichen Essenzen und Dingen.

Gott existiert nach Spinoza notwendigerweise (Lehrsatz 11).

Nach Lehrsatz 17 und Definition 7 bestimmt Spinoza Gott als die einzige freie Ursache, da er aus der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (Substanz) heraus existiert.

Spinoza erläutert seine geometrische Methode, indem er argumentiert, dass aus Gottes Natur alles „immer mit derselben Notwendigkeit und auf dieselbe Weise folgt, wie aus der Natur eines Dreiecks von Ewigkeit her und in Ewigkeit folgt, daß seine drei Winkel gleich zwei rechten sind.“ (Lehrsatz 17)

Spinoza spricht Gott Verstand und Wille zu, jedoch nicht im menschlichen Sinne. Sie sind Attribute Gottes, bezeichnen also nach Def. 4 sein Wesen. Ferner sind Gottes Verstand und Wille Ursachen der Essenz und Existenz unseres Verstandes und Willens (Lehrsatz 17).

Nach Lehrsatz 18 ist Gott die immanente, aber nicht die übergehende Ursache aller Dinge. Dies bedeutet, dass Gott die Dinge nicht außerhalb von ihm verursacht, da er ja die einzige Substanz ist, sondern dass alle Dinge kausal in ihm sind und nur durch ihn begriffen werden können.