Die Besonderheit der Leibnizschen Theorie besteht darin, Freiheit und Determination so in Einklang zu bringen, dass die Entscheidung der Person weder durch Notwendigkeit zustande kommt, noch indifferent ist, sondern auf bestimmte Weise erfolgt, wobei diese Determination des Willens nach Leibniz gerade alternative Möglichkeiten der Wahl zulassen soll.
Wie Leibniz im 21. Kapitel seiner Nouveaux Essais bemerkt, ist der Begriff der Freiheit „sehr zweideutig“ (fort ambigu), was eine weitere Differenzierung erfordert. Leibniz wendet sich zunächst der „tatsächlichen[n] Freiheit“ (liberté de fait) zu, die er von der rechtlichen (liberté de droit) unterscheidet, nach der etwa ein Sklave nicht als frei gelten würde. Die faktische Freiheit des Menschen unterscheidet Leibniz weiter in die „Freiheit des Wollens“ (liberté de vouloir) und die „Freiheit des Handelns“ (liberté de faire). Ihr spezifisches Profil erhält die Leibnizsche Freiheitslehre in Abgrenzung eines Begriffs von Handlungsfreiheit, wie ihn John Locke in seinem Essay Concerning Human Understandingunmittelbar zuvor vertreten hatte. Anders als Locke geht es Leibniz darum, den Begriff des freien Willens zu verteidigen und zu begründen. Es interessiert ihn dabei nicht so sehr die Frage, ob man tun kann, was man will, sondern die Struktur des freien Willens tritt selbst ins Zentrum des Interesses.
Die Freiheit des Wollens (la liberté de la volonté) unterscheidet Leibniz in zwei Formen: Zunächst in die Freiheit, welche „eigentlich unseren Verstand (entendement)“ betrifft. Frei kann demnach niemand genannt werden, der „von einer großen Leidenschaft in Anspruch genommen ist“, da hier „der Geist unter einem Zwange und einer Hemmung […] handelt“. Gemäß einem solchen Freiheitsbegriff ist nur ein Weiser frei, und Gott vollkommen frei zu nennen. Endliche Geister „sind es nur in dem Maße, als sie über die Leidenschaften erhaben sind“. Von dieser Freiheit, die „eigentlich unseren Verstand“ betrifft und nach der nur verstandesgemäße Entscheidungen frei genannt werden können – man könnte sie auch als Position eines ‚Vernunftdeterminismus‘ bezeichnen –, kann jedoch noch eine andere Form von Freiheit unterschieden werden, die Leibniz die „Freiheit des Geistes“ (liberté de l’esprit) nennt. Diese betrifft „bloß den Willen“ – „sofern er sich vom Verstand unterscheidet“, markiert also genau jene von Augustinus entdeckte Reflexion des Willens und den von Augustinus und Thomas analysierten Gebrauch der Vernunft und kann demnach „freie Willkür“ (franc-arbitre) genannt werden. Leibniz grenzt diese Willkür – das liberum arbitrium voluntatis – von der Notwendigkeit der Verstandesfreiheit ab, da sie darin besteht, „daß der Willensakt trotz den stärksten Gründen oder Motiven, die der Verstand dem Willen vorhält“ – also der Spezifikation des Willens – „nichtsdestoweniger immer zufällig bleibt und keine absolute und sozusagen metaphysische Notwendigkeit besitzt“. Der Verstand kann den Willen „zwar auf sichere und unfehlbare Art bestimmen“, was jedoch nicht bedeutet, dass er ihn dabei nötigt.
Wie ist diese Freiheit der Willkür näher zu verstehen? In Paragraph 288 seiner Theodizee gibt Leibniz die „Bedingungen“ (conditions) dafür an. Zentral ist zunächst sein differenzierter Begriff der Kontingenz der Freiheitsentscheidung, die er als qualitative Auszeichnung des Existierenden bzw. als die spezifische „Wahrheit von individuellen Dingen“ begreift. Wie ist diese Kontingenz zu verstehen? Eine Handlung ist nach Leibniz dann kontingent, wenn es „keinen Zwang für diesen oder jenen Entschluß“ gibt, sie also quasi-indifferent geschieht, „wofern man unter Indifferenz versteht, es gebe keinen Zwang für diesen oder jenen Entschluß“. Allerdings darf dieser Zustand nicht als ein „indifferentes Gleichgewicht“ (indifference d’equilibre), verstanden werden, „wo die Bedingungen auf beiden Seiten vollständig gleich sind, und wo keine stärkere Neigung für die eine Seite vorhanden ist“. Eine absolute Indifferenz der Willkür würde gerade keine Freiheit bedeuten, sondern, neben einer ausbleibenden Freiheitsentscheidung auch die Grundstruktur der Wirklichkeit selbst in Frage stellen: Sie würde, wie Leibniz feststellt, „das große Prinzip des bestimmenden Grundes vernichten“, so dass der Wille nicht verstanden werden darf als „irgendein unerhörtes und sinnloses Vermögen (inauditam absurdamque potentiam agendi), ohne Grund (sine ratione) zu handeln oder nicht zu handeln“. Eine solche Freiheit basierte auf einem „widernatürlichen Vermögen einer gewissermaßen vernünftigen Unvernunft (monstrosam potentiam rationalis cuiusdam irrationalitatis)“.
Leibniz’ Unterscheidung zwischen Determination und Notwendigkeit soll also ermöglichen, eine Entscheidung der freien Willkür (franc-arbitre) als ein Ereignis zu begreifen, welches kontingenterweise und doch durch Bestimmung hervorgebracht wurde. Wie kann nun aber dieser freiheitsermöglichende Begriff von Kontingenz von Entscheidungen aus reiner Laune heraus (par caprice) unterschieden werden? Der Schlüssel zur Lösung dieses Indifferenz-Problems liegt in Leibniz’ Unterscheidung von Bestimmtheit (détermination) und Notwendigkeit (necessité). Man muss nach Leibniz „das Notwendige vom Zufälligen, auch wenn dieses bestimmt ist, unterscheiden. Denn nicht nur sind die zufälligen Wahrheiten selbst nicht notwendig, sondern auch ihre Verknüpfungen haben nicht immer eine absolute Notwendigkeit; denn ohne Zweifel besteht ein Unterschied in der Bestimmung der Konsequenzen im Bereich des Notwendigen und im Bereich des Zufälligen. Die geometrischen und metaphysischen Konsequenzen enthalten eine Nötigung (necessitent), die physischen und moralischen aber machen nur geneigt, ohne zu nötigen (inclinent sans necessiter) [Hervorh. J.N.].“
Leibniz’ Unterscheidung von Tatsachen- und Vernunftwahrheiten bildet demnach die metaphysische Grundlage für seine ambitionierte Theorie der Willensfreiheit, die sowohl der rationalen als auch der ontologischen Freiheitsanforderung genügen will. Wie kann Leibniz beide Bedingungen gleichermaßen erfüllen? Dass sich Kontingenz und Determination der Handlung zusammendenken lassen, beruht auf der Unendlichkeitsstruktur von Tatsachenwahrheiten. Deren Negation birgt – anders als im Falle von Vernunftwahrheiten – keinen Widerspruch in sich, da in einem wahren Tatsachenurteil Subjekt und Prädikat niemals ganz auf eine analytische Gleichung gebracht werden können, obwohl das Prädikat im Subjekt enthalten ist, insofern „die Auflösung vielmehr ins Unendliche weitergeht“ – analog zu einer asymptotischen Annäherung an einen bestimmten Limes. Im Begriff dieser unendlichen Annäherung liegt nach Leibniz der Grund kontingenter und zugleich bestimmter Freiheit.
Ein zweites elementares Moment des Leibnizschen Freiheitsbegriffs – „gewissermaßen die Seele der Freiheit“ – bildet die „Intelligenz“ (intelligence/déliberation), „die eine deutliche Erkenntnis des zu beschließenden Gegenstandes in sich faßt“. Wie Thomas von Aquin, so kennt auch Leibniz den Begriff des Vernunftgebrauchs (usus rationis), den er als die „wahre[] Wurzel der Freiheit“ (vera radix rationis) ansieht. Der Wille ist nicht notwendigerweise an das Gute und allgemein Vernünftige gebunden, sondern kann sich dazu mittels der Vernunft frei verhalten und dieses verschiedentlich perspektivieren. Auch im Bösen findet ein Vernunftgebrauch statt, auch wenn dieser privativ begriffen wird: „[D]ie Toren, die Irrenden, die Schurken [machen] durchaus Gebrauch von ihrem Verstand, jedoch nicht im Hinblick auf die Hauptsache“. In der Zuwendung zum Bösen „verdreht (pervertit) ein anderer Verstand den Verstand, ein geringerer den höheren, ein bestimmter, der durch Veranlagung, Erziehung und Gewohnheit geprägt ist, den umfassenden“. Nach Leibniz ist aber stets eine Revolution der bösen Gesinnungsart möglich, indem sich das Freiheit Subjekt für Angebote von außen öffnet, „denn wie ein Licht gleichsam durch Ritzen mitten in die Finsternis einfällt, steht ein Mittel zu entrinnen in unserer Macht, vorausgesetzt, daß wir es gebrauchen wollen“.
Das dritte von Leibniz angeführte Moment der Willensfreiheit bildet die Spontaneität (spontaneité). Der Mensch ist „umso mehr spontan, je mehr seine Handlungen aus seiner Natur (natura) fließen und je weniger sie von außen verändert werden“. Willensfreiheit ist also nach Leibniz insofern graduierbar und keine Sache von Alles oder Nichts, als positive Freiheit ein mehr oder weniger authentischer Ausdruck der individuellen Person darstellt. Worin besteht aber der Bestimmungsgrund des Willens? Leibniz fasst die Willensbestimmung als ein holistisches Zusammenspiel aller beteiligten Instanzen auf : „[W]ir wollen […] nur das, was harmonisch (harmonicum) erscheint. Was aber harmonisch erscheinen kann, hängt von der Beschaffenheit des Empfindenden, des Objekts (objecti) und des Mittels (medii) ab.“ Dieses Herstellen einer harmonischen Willensordnung begreift Leibniz als deliberativen Prozess. Willensfreiheit besteht demnach im Herstellen einer harmonischen Ordnung von Gründen, die der eigenen Wesensnatur entsprechen und dieser schließlich in der Handlung Ausdruck verleihen.