Zusammenfassung, 9. Sitzung, 14.12.2018: Augustinus über Willensfreiheit

Die systematische Bedeutung der Augustinischen Freiheitstheorie besteht in ihremBegriff eines reflexiven Willens. Durch seine reflexive Willenstheorie kann Augustinus in historischer Hinsicht als der„Erfinder des ‚modernen‘ Willensbegriffs“[1]gelten. Augustins Willensbegriff steht im Kontext seiner umfassenderen Theoriedes Geistes (lat. mens). AugustinsGeist-Begriff unterscheidet sich in verschiedenen zentralen Hinsichten von denTheorien Platons und Aristoteles‘.

Das entscheidende Merkmal ist seineSelbstreflexivität. Anders als ein Auge, das sich selbst nicht sehen kann, ohneeinen Spiegel zu gebrauchen, ist nach Augustinus der Geist immer schon auf sichselbst bezogen. Augustinus unterscheidet nun drei Dimensionen diesesselbstreflexiven Geistes: Erinnerung (memoria),Einsicht (intelligentia) und Wille (voluntas). Diese drei sind nicht alsSubstanzen oder isolierte Wesenheiten zu denken, sondern drei Momente oderFormen der einen lebendigen Substanz, die Augustinus „Leben“ (vita) oder „Geist“ (mens) nennt. Alle Momente des Geistes sind ihrerseits wiederumselbstreflexiv verfasst und zudem durch ihre „beziehentliche Wirklichkeit“(relative): Sie werden immer „in Beziehung ausgesagt“. Augustinus formuliertdie komplexe gegenseitig Bezogenheit der drei Momente des Geistesfolgendermaßen: „Was immer an Einsichtigem aber ich erinnere und will, das seheich folgerichtig auch ein. Auch mein Wille umfaßt meine ganze Einsicht undmeine ganze Erinnerung, solange ich nur die Gesamtheit dessen, was ich einseheund erinnere, gebrauche. Wenn daher von jedem Einzelnen alle insgesamt und ganzerfaßt werden, dann / ist jedes einzelne als ganzes jedem anderen als ganzemgleich; ebenso ist jedes einzelne als ganzes zugleich allen als ganzen gleich,und diese drei sind eins (unum), einLeben (vita), ein Geist (mens), ein Wesen (essentia).“ (127). In dieser dreifachen Relationalität ist derGeist nach Augustinus ein „ungleiches Bild“ (impar imago), also eine schwache Analogie der Trinität Gottes.

Augustinus entwickelt seine Theorie des reflexiven Willens in Auseinandersetzung mit dem bereits bei Paulus beschriebenen Problem der Willensschwäche.[2] In dem Phänomen der Willensschwäche wird deutlich, dass intentionale Phänomene wie handlungs- und objektorientierte Willensaktivitäten wiederum von einer zweiten Stufe – von ‚Voliltionen zweiter Ordnung‘ – aus willentlich evaluiert werden können. Daraus ergibt sich die problematische Möglichkeit, dass diese höherstufigen Willensakte keine Wirkung auf die bewusst gewollt- oder nicht gewollten basalen Willensstrebungen erzielen können, so dass beide Stufen des Willens desintegriert koexistieren. Eine Person ist demnach in ihrem Handeln gespalten – sie vermag sich mit diesem nur teilweise willentlich zu identifizieren. Ein vollständig harmonisch gefügter Wille, der aus voller Entschiedenheit und Selbstidentifikation zur Handlung führt, ist in diesem Fall ausgeschlossen. Die Willensschwäche resultiert also daraus, dass die ‚Volitionen zweiter Ordnung‘ nicht einheitlich sind, so dass sie sich nicht sammeln und eine Wirkung auf die Willenstendenzen erster Stufe ausüben können.[3] Diese in sich differenzierte Struktur des Willens lässt sich als „Willensspaltung“[4] bzw. „Willensverdopplung“[5] beschreiben. Der Wille ist nach Augustinus also insofern reflexiv, als er sich selbst problematisch wird: Er kann keine volle Kontrolle mehr über die Volitionen erster Ordnung ausüben, und in diesem reflexiven Kontrollverlust des eigenen volitionalen Vermögens besteht der Grund willensschwachen Handelns.

Präferenzen erster Stufe sind nach dieser differenzierten Willensauffassung also nicht mehr heteronome, dem Freiheitssubjekt von außen aufgezwungene Einflüsse und Neigungen, sondern immer schon willensmäßig strukturiert: Sie konstituieren als affectiones animi die vorgegebene Willensbasis der Person, zu welcher diese sich wiederum willentlich verhalten kann.[6] Damit ist das Problem der  als reflektiertes Wollen über die internen Willensstrebungen virulent geworden, welche nun von der Handlungsfreiheit, als bloße Realisierung der primär objektorientierten Willenstendenzen, unterschieden werden.[7]

Augustinus analysiert das von Paulus beschriebene Phänomen der Willensschwäche im Achten Buch seiner Confessiones weiter. Er schildert in einer autobiographischen Phänomenologie der Willensschwäche das menschliche Phänomen, „daß zwei Willen in einem Menschen sich widerstreiten (duas voluntates in homine uno adversan sibi sentiunt)“[8]; „ein alter und ein neuer, der eine fleischlich, der andere geistig […] und ihr Hader zerriß meine Seele“[9]. Eine Analyse dieses Phänomens der Willenszersplitterung fördert zu Tage, dass zwar Volitionen zweiter Ordnung vorliegen, diese jedoch aufgrund ihrer Uneinheitlichkeit keinen Einfluss auf die Präferenzen erster Ordnung auszuüben vermögen. Augustinus beschreibt dieses Phänomen folgendermaßen: „Wollen war schon Tun, und doch geschah es nicht. Leichter gehorchte der Körper dem geringsten Willensantrieb der Seele und bewegte auf ihren Wink seine Glieder, als daß die Seele sich selbst gehorcht und allein durch ihren Willen ihr starkes Wollen in Tat umgesetzt hätte.“[10] Die verschiedenen Willenstendenzen sind für sich genommen also keine „verschiedene[n] Wesenheiten“[11] (diversae substantiae), sondern Spaltungen ein und desselben menschlichen Willens. Sie „streiten […] so lange miteinander, bis man eines erwählt, auf das sich nun der eine ganze, vorher zerteilte Wille wirft (quo feratur tota voluntas una, quae in plures dividebatur)“[12].

Augustinus bezeichnet diesen Willensstreit als „Krankheit des Geistes“[13] (aegritudo animi). Das Problem besteht darin, dass die Willenseinheit des Menschen auf Grund der unmittelbar vorfindlichen Willensspaltung nicht unmittelbar geleistet werden kann: „Also sind es zwei Willen (duae voluntates), denn der eine von ihnen ist nicht ganz, und was dem einen fehlt, das hat der andere.“[14] Die erstrebte Einheit und Identifikation des Willens auf beiden Stufen mit sich selbst ist in diesem ererbten „ungeheuerlichen Zustand“ (monstrum) nicht mehr unmittelbar gegeben: „[E]r befiehlt nicht voll und ganz (plena), darum geschieht auch nicht, was er befiehlt.“[15] Das Wollen geschieht in diesem Zustand nicht „kraftvoll und ungeteilt“ (fortiter et integre), sondern vielmehr „halbgelähmt hin und her taumeln[d] und schwanken[d] mit einem sich selbst widerstreitenden (voluntatem […] luctantem), teils aufstrebenden, teils absinkenden Willen“[16].

In seiner Frühschrift De libero arbitrio hat Augustinus die Reflexivität des Willens weiter analysiert. Der Wille ist als ein „mittleres Gut“ (medium bonum) durch seine reflexive Zwischenstellung posititioniert zwischen „Tugenden, durch die man rechtschaffen lebt“, die „große Güter“ (magna bona) sind, und zwischen den „Gestalten irgendwelcher Körper, ohne die man durchaus rechtschaffen leben kann“, die „die kleinsten Güter“ (minima bona) darstellen. Der Unterschied zwischen den Tugenden und dem Willen besteht darin, dass der Wille als geistiges Vermögen intentional flexibel ist, der Mensch den Willen „nicht nur gut, sondern auch schlecht gebrauchen“ (bene et male uti) kann, während dies bei den Tugenden nicht der Fall ist – sie sind intrinsisch gut.[17] Wie aber ist dieser Gebrauch des Willens zu denken?

Im Dialog mit seinem Freund Evodius bemerkt Augustinus: „Wundere dich […] nicht, daß, wenn wir das übrige durch den freien Willen gebrauchen (per liberam voluntatem utimur), wir auch den freien Willen selbst durch ihn selbst gebrauchen können, so daß sich der Wille, der das übrige gebraucht, in gewisser Weise selbst gebraucht (ut quodam modo se ipsa utatur voluntas quae utitur ceteris).[18] Nach Augustinus ist es also möglich, sich willentlich durch das Entscheidungsvermögen (liberum arbitrium voluntatis) auf die unmittelbar objektorientierten Willenstendenzen (voluntates)[19] zu beziehen und so sein Wollen selbst zu bestimmen, d.h. sich seinen eigenen Willen zu einer gewollten Einheit (der voluntas) zu bilden und in ein Ganzes zu integrieren.

Wie verhalten sich das Gute und Böse zum Willen? Es steht für Augustinus fest, „daß nichts anderes den Geist (mens) zum Genossen der Begierde macht als der eigene Wille (propria voluntas) und die freie Entscheidung (liberum arbitrium)“[20]. Das Gute besteht darin, sich „dem gemeinsamen (commune) und unwandelbaren (incommutabile) Gut“ anzuschließen. Das Böse liegt dementsprechend in einer perversio begründet: „[D]er Wille, der sich vom unwandelbaren und gemeinsamen Gut abwendet (voluntas aversa) und sich dem privaten Gut, dem Äußeren oder dem Niederen zuwendet (conversa), sündigt.“[21] Verantwortlich für den Status einer guten oder bösen Handlung ist also nicht so sehr das angestrebte Objekt bzw. Gut (bonum) – auch wenn es gegenüber höherwertigen Objekten als minderwertig erscheint –, sondern vielmehr die Art und Weise des Erstrebens dieser Objekte, also die Intentionalität oder Willensabsicht der individuellen Präferenzordnung:

So kommt es, daß weder jene Güter, die die Sünder begehren, auf irgendeine Weise schlecht (mala) sind, noch der freie Wille (voluntas libera) selbst […] sondern das Böse ist seine Abkehr (aversio) vom unwandelbaren Gut und seine Hinkehr (conversio) zu den veränderlichen Gütern (mutabilia bona). Da aber diese Abkehr und Hinkehr nicht erzwungen wird (non cogitur), sondern freiwillig (voluntaria) geschieht, folgt ihr als angemessene und gerechte Strafe das Unglück.[22]

Der Mensch sündigt nach Augustinus deswegen „nicht mit Notwendigkeit (necessitate), sondern durch den Willen (voluntate)“[23]. Der menschliche Wille kann freien Gebrauch von seinen Gegenständen machen, und dieser spezifische gute oder schlechte Gebrauch kann ihm dann auch zugerechnet werden: Es ist „nichts so sehr in unserer Macht wie der Wille selbst“[24], so „daß es am Willen liegt, was jeder als zu Erjagendes und zu Umfangendes wählt, und daß der Geist (mens) durch nichts aus der Burg seiner Herrschaft (arx dominandi) und aus der rechten Ordnung (recto ordine) herausgeworfen wird als nur durch den Willen“[25].

Dieser Gebrauch des Willens ist rational strukturiert, jedoch nicht im Sinne allgemeiner, sondern individueller Vernunft. Augustinus unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Geist (mens) und Vernunft (ratio). Das Verhältnis beider Vermögen besteht darin, dass der Geist die Vernunft gebrauchen kann (uti posse), und so selbst zu einer individuellen rational-voluntativen Aktivität wird.[26] Damit ist nach Augustinus ausdrücklich eine Freiheit zum Bösen möglich (male facimus ex libero voluntatis arbitrio), denn auch diese Entscheidung ist durch den Geist begründet.[27] Das Böse ist demnach nicht so sehr ein dem Willen entgegenstehendes Objekt, sondern selbst eine Weise seiner Betätigung.

Wie denkt Augustinus das Böse? Das Böse besteht wie bereits beschrieben in einer Abkehr vom Guten, nämlich darin, „daß jemand [ein verkehrter und ungeordneter Geist (perversi tamen animi et inordinati)] sich vom Göttlichen und wahrhaft Bleibenden abwendet (avertitur) und sich dem Wandelbaren und Unsicheren zuwendet“[28]. Allerdings begreift Augustinus diese „Bewegung der Abkehr (motus aversionis), die wir Sünde genannt haben“ als „eine Bewegung zum Mangel“, von der gilt: „[A]ller Mangel […] stammt vom Nichts (omnis autem defectus ex nihilo est).“ Trotz seines privativen Status ist nach Augustinus das Böse sehr wohl zurechenbar: „Weil der Mangel freiwillig (voluntarius) ist, steht er in unserer Macht.“[29]

Das Böse ist jedoch gegenüber dem Guten ontologisch depotenziert, was sich an seiner spezifischen Kausalität zeigt: „So frage mich niemand nach der bewirkenden Ursache (efficientem causam) des bösen Willens. Denn da gibt’s keine bewirkende, sondern nur eine versagende (deficiens), weil keine Wirkung (effectio), sondern nur Versagen (defectio).“[30] Als ein solches Versagen, bzw. Unvermögen der Freiheit zieht die defizitäre Verursachung epistemische Einschränkungen mit sich: „Die Ursachen solchen Abfalls, die ja, wie gesagt, keine wirkenden, sondern versagenden sind, ausfindig machen wollen, hieße die Finsternis sehen, Schweigen hören wollen.“[31] Das liberum arbitrium ist also nach Augustinus das Vermögen der freien Wahl des Willens. Die voluntates stellen die zu wählenden primären Willenstendenzen dar,[32] während sich die voluntas schließlich als vollständig integrierter Wille verstehen lässt, der insofern Handlungsfreiheit ermöglicht, als sich durch ihn die durch das liberum arbitrium gewählten Willensregungen erster Stufe in die Realität überführen lassen.[33] Das liberum arbitrium ist demnach kein ontologisch separates Vermögen neben der voluntas, sondern ein spezifisches Selbstverhältnis des individuellen Willens. Erst wenn das liberum arbitrium die voluntates – durch Willensfreiheit – reflexiv bestimmt und diese Entscheidung dann auch noch – durch Handlungsfreiheit – über die voluntas realisiert wird, ist Freiheit im vollen Sinne erreicht.


[1] Dihle (1985), 162 und im Anschluss daran Horn (1996). Für Hannah Arendt ist Augustinus sogar der „erste Philosoph des Willens“ (Arendt [1979], 82).

[2] Vgl. Paulus, Römer 7, 14-25, speziell 18 f.: „Wollen (θέλειν) habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute (ἀγαθόν), das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse (κακόν), das ich nicht will, das tue ich.“ Eine detaillierte Untersuchung des Problems der Willensschwäche, speziell mit Blick auf Paulus und Augustinus findet sich bei Müller (2009). Eine ausführliche Analyse der Phänomenologie der Willensschwäche bei Paulus gibt außerdem Achtner (2010), 40 ff., dessen Studie ausgezeichnet die theologischen Wurzeln des modernen Begriffs der Willensfreiheit freilegt.

[3] Der Begriff einer Volition zweiter Ordnung ist in dem für die moderne Freiheitsdebatte überaus wirkmächtigen Aufsatz von Harry Frankfurt (1971) als eine Münze geprägt worden. Freilich – und dies macht der Aufsatz nicht explizit – besitzt er einen zentralen Vorläufer in der Augustinischen Willensanalyse. Zu einer Auseinandersetzung mit der Willensfreiheitstheorie Harry Frankfurts und anderen aktuellen Theorien der analytischen Freiheitsdebatte vor dem Hintergrund der nachkantischen Debatte vgl. Teil V.2 dieser Arbeit. Vgl. zur Interpretation des Phänomens der Willensspaltung allgemein: Brachtendorf (2005), 167 ff.

[4] Brachtendorf (2005), 167.

[5] Achtner (2010), 71.

[6] Vgl. zum voluntativen Status der affectiones animi: Augustinus, CD, 14, 6, 164: „Denn in ihnen allen ist Wille, vielmehr allesamt sind sie nichts anders als Willensrichtungen (voluntates). Denn was ist Begierde (cupiditas) und Lust (laetitia) anders als Wille (voluntas), der bejaht, was wir wollen (volumus), was Furcht und Traurigkeit anders als Wille, der verneint, was wir nicht wollen (nolumus)? Äußert sich die Bejahung im Streben nach dem, was wir wollen, nennen wir’s Begierde, äußert sie sich im Genuß dessen, was wir wollen, Lust. Desgleichen, wollen wir nicht, daß etwas uns trifft, und verneinen wir es deswegen, heißt solcher Wille Furcht (metus), trifft uns dagegen etwas wider Willen, und verneinen wir es deswegen, heißt solcher Wille Traurigkeit (tristitia). Kurz, je nach der Verschiedenheit der Dinge, die man erstrebt oder flieht, bald angezogen, bald abgestoßen, wendet und wandelt sich der Wille in diese oder jene Gemütsbewegungen (affectus).“

[7] Vgl. zur Unterscheidung von Willens- und Handlungsfreiheit sowie der internen Differenziertheit und Reflexion des Willens bei Augustinus: Brachtendorf (2006), 47; Brachtendorf (2007); 223; Müller (2007), 53 f.; Müller (2009); 314 f.; Achtner (2010), 70. Brachtendorfs mit Frankfurts Kategorien operierende Interpretation kann dabei als eine „alternative Interpretation“ zur „traditionellen Interpretation“ der Augustinischen Freiheitslehre angesehen werden. Vgl. Müller (2007), 53: „Der eigentliche Konflikt liegt hier [bei der traditionellen Interpretation; J.N.] auf einer einzigen Ebene des Wollens, die von verschiedenen Wünschen affiziert bzw. inkliniert wird“. Ich schließe mich im Folgenden der von Brachtendorf vorgebrachten Lesart einer Willensspaltung zwischen Objekt- und Metaebene an, wobei das Hauptaugenmerk Augustins Schrift De libero arbitrio und den Confessiones gilt.

[8] Augustinus, CF, VIII, 24, 353.

[9] Augustinus, CF, VIII, 10, 331. Vgl. dazu Müller (2007), 60: „Diesen paulinischen Gegensatz von ‚Geist ‘ und ‚Fleisch‘ darf man nun nicht vorschnell in eine an Platons Phaidon geschulte Kontraposition von ‚Seele‘ und ‚Körper‘ übertragen. Augustinus betont über das Konzept der ‚Zustimmung‘ gerade, dass der Konflikt im homo sub lege ein innergeistiger ist und somit nicht etwa auf eine heteronome Fremdsteuerung des Geistes durch den Körper zurückgeführt werden kann. ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ supponieren hier eher für zwei miteinander konkurrierende Wertsphären, auf die sich der menschliche Geist ausrichten kann, was seinen Ausdruck nicht zuletzt in der Kontraposition von ‚Leben nach dem Geist ‘ und ‚Leben nach dem Fleisch‘ findet.“

[10] Augustinus, CF, VIII, 20, 349.

[11] Augustinus, CF, VIII, 24, 355.

[12] Augustinus, CF, VIII, 24, 355.

[13] Augustinus, CF, VIII, 21, 351.

[14] Augustinus, CF, VIII, 21, 351.

[15] Augustinus, CF, VIII, 21, 352. Diese vorgängige Willensspaltung des Menschen zu einem uneinheitlichen Willen wird von Augustinus mit dessen postlapsarischem Zustand in Verbindung gebracht. Vgl. Stump (2001), 130: „A post-Fall human being is not able to bring his first-order volitions under the control of his good second-order desires, and in this sense he is unable to will not to sin. But his good second-order desire is enough to enable him to form the first-order volition to ask God to strengthen his will in good; and when he does, God gives him the strength of will he wants and needs. In this sense, even a post-Fall human being is able to will not to sin.“ Vgl. ferner Peetz (1997), 65 f. sowie Müller (2009), 328, der diese Willensspaltung als „Signatur des Seinsverlustes, den der Mensch durch den Sündenfall erfahren hat“ interpretiert.

[16] CF, VIII, 19, 347. Vgl. zur Willensspaltung auch Müller (2007), 67: „Die Zerrissenheit bzw. Spaltung des Willens liegt also wesentlich darin, dass in ihm simultan zwei inkompatible Wertmaßstäbe bzw. Handlungsprinzipien, prudentia carnis und prudentia spiritus, präsent sind, welche die objektorientierten Volitionen verschieden bewerten: Deshalb wird ein und dasselbe teils gewollt, teils nicht gewollt, aber eben nichts mit ganzem Willen eindeutig gewollt.“

[17] Augustinus, LA II, 50, 190, 198 ff.: „Nam neque prudentia neque fortitudine neque temperantia male quis utitur; etiam in his enim omnibus, sicut in ipsa quam tu commemorasti iustitia, recta ratio viget, sine qua virtutes esse non possunt. Recta autem ratione male uti nemo potest [Hervorh. J.N.].“

[18] Augustinus, LA II,51,194,201.

[19] Vgl. zur Interpretation der voluntates als Willenstendenzen Brachtendorf (2006), 45 f. sowie Müller (2007), 52. Achtner (2010), 63, übersetzt „voluntates“ mit „Willensrichtungen“ bzw. – noch zutreffender – mit „affektiv getönte Willensregungen“ (67).

[20] Augustinus, LA I, 21,76,105.

[21] Augustinus, LA II, 53,199,203.

[22] Augustinus, LA II, 53,200,203.

[23] Augustinus, LA III, 6, 21, 215.

[24] Augustinus, LA III, 7, 27, 117. Die Willensfreiheit des Menschen ist nach Augustinus kompatibel mit dem Vorherwissen Gottes: „So leugnen wir nicht, daß Gott alles Zukünftige kennt und wir dennoch wollen, was wir wollen. Denn da er unseren Willensentschluß vorausweiß, wird es das, was er vorausweiß, auch geben. Es wird also den Willensentschluß geben, weil er ihn vorausweiß. Es wird keinen Willensentschluß geben können, wenn er nicht in unserer Macht stehen wird. Also weiß er auch die Macht vorher. Folglich wird mir die Macht durch sein Vorherwissen nicht genommen; vielmehr wird sie mir um so sicherer zur Verfügung stehen, weil er, dessen Vorherwissen unfehlbar ist, vorherweiß, daß ich sie besitzen werde.“ (LA, III, 8,34,221)

[25] Augustinus, LA I, 34, 114, 123.

[26] Vgl. Augustinus, LA I, 19, 68, 100: „Sed si aliud ratio, aliud mens, constat certe nonnisi mentem uti posse ratione.“

[27] Augustinus, LA I, 35,117,125.

[28] Augustinus, LA I, 35, 116, 123.

[29] Augustinus, LA II, 54, 204, 205.

[30] Augustinus, CF, 12, 522.

[31] Augustinus, CF, 12, 522 f.

[32] Vgl. Müller (2007), 53: „Zum Wesen von Willenstendenzen erster Stufe gehört […] nicht nur, dass sie etwas wollen, sondern auch, dass sie selbst auf der höheren Ebene gewollt werden.“

[33] Vgl. zum freiheitstheoretischen Verhältnis von „liberum arbitrium“, „voluntas“ und „voluntates“: Brachtendorf (2006), 45 f. u. Achtner (2010), 66 f.