Zusammenfassung 2. Sitzung, 26.10.2018: Harry Frankfurt (1)

In seinem Aufsatz „Freedom of the Will and the Concept of  a Person“[1] hat Harry Frankfurt eine Theorie des freien Willens entwickelt, die für die folgende Debatte überaus einflussreich war und ist. Seine Untersuchung der Willensfreiheit beginnt damit, dass Frankfurt eine Auffassung der Person kritisiert, wonach diese sich als Trägerin mentaler und physikalischer Prädikate verstehen lasse. Dagegen wendet Frankfurt ein, dass ein solcher Begriff zu weit ist. Auch nichtpersonale Tiere verfügen über mentale Eigenschaften, wie etwa ein ängstliches Reh, oder ein Schwein, das sich über eine Delikatesse freut. Dagegen argumentiert Frankfurt, dass das spezifisch Personale nur durch eine volitionale Analyse des Mentalen aufgedeckt werden kann: „Ich bin der Ansicht, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen Personen und anderen Kreaturen in der Struktur des Willens einer Person zu finden ist.“ (66) Worin besteht diese spezifische Struktur des personalen Willens? Frankfurt verweist hierbei auf das Phänomen, dass nur Personen über Wünsche zweiter Stufe verfügen: „Menschen […] wünschen, bestimmte Wünsche oder Motive zu haben (oder nicht zu haben). Sie können, was ihre Vorlieben und Zwecke angeht, gern anders sein wollen, als sie sind […]. Kein Tier außer dem Menschen scheint dagegen die Fähigkeit zur reflektierenden Selbstbewertung zu haben, die sich in der Bildung von Wünschen zweiter Stufe ausdrückt.“ (67) Vom bloßen Wunsch muss der Wille unterschieden werden. Er tritt auf in Form eines „effektiven oder handlungswirksamen Wunsches, der eine Person dazu bringt (oder dazu bringen wird oder wurde), den ganzen Weg bis zu einer Handlung zu gehen“ (68). Davon ausgehend unterscheidet Frankfurt zwischen zwei Formen voluntativer Selbstreflexivität. Er bezeichnet solche Wünsche zweiter Stufe als „Voltionen zweiter Stufe“, wenn sie sich auf einen Wunsch erster Stufe handlungswirksam beziehen, der Akteur also will, „daß ein bestimmter Wunsch sein Wille sei“ (71). Ein Triebhafter (wanton) ist im Gegensatz zu einer Person, die immer über Volitionen zweiter Stufe verfügen muss, ein Subjekt, welches keine Volitionen zweiter Stufe auszubilden vermag oder will, selbst dann, wenn es Wünsche zweiter Stufe haben sollte. Einem Triebhaften ist sein Wille „gleichgültig“; er ist nicht an handlungswirksamer Willensbildung interessiert: „Seine Wünsche treiben ihn, bestimmte Dinge zu tun, ohne daß man von ihm sagen könnte, er möchte sich von solchen Wünschen bewegen lassen, oder er zöge es vor, von anderen Wünschen zum Handeln veranlaßt zu werden.“ (72). Frankfurt zählt zu den Triebhaften (wantons) alle Tiere, die Wünsche haben, und auch Kinder.

[1] Harry G. Frankfurt: Freedom of the Will and the Concept of  a Person. In: The Journal of Philosophy 68 (1971), S. 5-20.