Leibniz und Rousseau über das Gute (30.5.2018)

Es lassen sich in der Geschichte der Philosophie verschiedene Muster erkennen, das Gute zu verorten. Während Platon das Gute in bzw. über den Ideen ansiedelt und sich damit das Problem seiner Realisierung in der irdischen Welt stellt, denkt Leibniz das Gute als die rational beste aller möglichen Welten. Bei Platon und in der platonischen Tradition besteht das Böse in der Materie, die durch einen Seinsmangel (Privation) gekennzeichnet ist, ebenso in der scholastischen Philosophie bei Thomas von Aquin. Das Gute ist bei Leibniz dagegen ein resultativer Zustand, der verschiedenen metaphysischen und rationalen Bedingungen gerecht wird. Leibniz betont, dass der Grund des Bösen nicht in der Materie zu finden ist, sondern in der „idealen Natur“ des Menschen, also – mit Platon gesprochen – im Bereich der Ideen. Die ideale Natur besagt, dass der Mensch als Geschöpf Gottes notwendigerweise endlich sein muss und dass daraus die Möglichkeit, jedoch nicht die Notwendigkeit von körperlichem und moralischem Übel – malum physicum und malum morale – folgt. Die ideale Natur ist die logische Notwendigkeit der Endlichkeit der menschlichen Kreatur, oder auch das malum metaphysicum, denn „Gott konnte ihr nicht alles geben, ohne sie zum Gott zu machen; er mußte also stufenweise Unterschiede in der Vollkommenheit der Dinge und ebenso Beschränkungen jeder Art geben.“ (117) Entscheidend ist dabei, dass diese Endlichkeit nicht per se schlecht ist, sondern gerade gut, da eine Welt ohne Schöpfung schlechter wäre als eine Welt, die Geschöpfe enthält. Im Zusammenspiel von Gottes Verstand, der die ideale Natur und Beschränktheit der Schöpfung vorgibt und seinem Willen, der auf das Gute ausgerichtet ist, ergibt sich in Art einer Resultante verschiedener Willens-Vektoren die Konstitution der besten aller möglichen Welten. Leibniz vertritt also einen metaphysisch komparativen und superlativen Begriff des Guten.

Rousseau wiederum verortet das Gute, gerade gegenteilig zu Platon, in der natürlichen Welt und vor aller Vernunft, insofern er auf die unmoralischen Konsequenzen der Vernunftoperation verweist. Die Vernunft, durch die wir den Naturzustand verlassen haben, setzt uns in die Lage, uns mit anderen Menschen zu vergleichen und zu verrechnen. Daraus resultiert eine pervertierte Form der eigentlich gutartigen Selbstliebe, die Rousseau Eigenliebe (amour propre) nennt. Diese Eigenliebe verhindert die Wirkung des natürlichen Mitleids, das dazu führt, dass wir uns mit anderen Mitmenschen identifizieren. Die Vernunft führt nicht zur Identifizierung, sondern vielmehr zur Unterscheidung und Konkurrenz der Menschen. Hierin liegt nach Rousseau der Grund des Bösen.