Hausarbeiten über die klassische deutsche Philosophie (bzw. den „deutschen Idealismus“) zu schreiben stellt eine besondere Herausforderung dar. Denn die behandelten Texte sind nicht selten überladen von Begriffen wie dem „Absoluten“, dem „Nicht-Ich“, der „intellektuellen Anschauung“, der „Freiheit“, die extrem vieldeutig und keineswegs selbstverständlich sind. Eine gute Hausarbeit sollte diese Begriffe nicht einfach übernehmen, sondern kritisch hinterfragen. Sie sollte diese Begriffe als eine Antwort auf eine Frage verstehen, mit der sich der jeweilige Text befasst, oder als eine Lösung auf ein Problem, das im Text verhandelt wird. Indem man die Texte so problemorientiert versteht, löst man sich von der bloßen Paraphrase und rekonstruiert stattdessen in eigener Begrifflichkeit die jeweilige Theorie. Solche Probleme, auf die die Texte Lösungen bieten wollen, sind z.B. die Vereinbarkeit von Willensfreiheit und (Natur)determination, die Einheit und Identität des erkennenden und handelnden Subjekts, die Bildung eines freien Subjekts.
In seinem System des transzendentalen Idealismus von 1800 stellt sich Schelling die Frage, wie wir unser Wollen und Handeln in Freiheit denken müssen. Die Methode, die Schelling dabei anwendet, ist die der „Deduktion“. Dabei handelt es sich um eine apriorische Operation, die aus reinen Begriffen konkrete Bestimmungen herleiten möchte. Schelling fordert, dass in der Handlung das Wollen „sich auf ein von ihm Unabhängiges richtet“, welches nicht mit ihm identisch ist. Dadurch entsteht eine Differenz, die bereits Fichte in seiner Theorie des praktischen Triebes thematisiert hatte: Der Trieb des Menschen richtet sich nach Fichte nicht nur nach Erkenntnis desjenigen, was ist (als Erkenntnistrieb), sondern auch danach, was sein soll (als praktischer Trieb). Dieser praktische Trieb ist Trieb im strengsten Sinne. Im Gegensatz zum Erkenntnistrieb richtet sich der praktische Trieb nicht nach einem vollständig bestimmten Gegenstand, sondern auf eine „durch freie Selbstthätigkeit erschaffene Vorstellung“, um „ein ihr entsprechendes Product in der Sinnenwelt hervorzubringen“. Schelling selbst Formuliert diese Spannung im Wollen folgendermaßen: „Es entsteht also durch das Wollen unmittelbar ein Gegensatz, indem ich durch dasselbe einerseits der Freiheit, also auch der Unendlichkeit bewußt, andererseits durch den Zwang vorzustellen beständig in die Endlichkeit zurückgezogen werde.“ Wir befinden uns im Wollen einerseits im Rahmen der Unendlichkeit, weil wir Verschiedenes wollen können, alternative Möglichkeiten des Wollens besitzen; andererseits aber im Rahmen der Endlichkeit, da wir, um wirklich zu wollen, etwas Konkretes wollen, d.h. zu einer (endlichen) Entscheidung gelangen müssen. Durch diesen „Widerspruch“, der im Akt des Wollens gelegen ist, rückt nach Schelling ein Phänomen ins Zentrum, welches er „Einbildungskraft“ nennt. Die Einbildungskraft vermittelt und schwebt zwischen den Polen der Unendlichkeit und Endlichkeit im Akt des Wollens. Durch die Differenz zwischen dem Objekt, wie es faktisch, durch Anschauung gegeben ist, und dem Objekt, wie es (im Ideal) sein soll, entsteht nach Schelling wieder eine Tätigkeit, die er diesmal als Trieb bezeichnet. Schelling betont die Zwischenstellung des Triebes zwischen reflexiver Freiheit und unreflektiertem Gefühl bzw. Neigung, und spricht damit die Grundproblematik der gesamten Triebdebatte in der klassischen deutschen Philosophie an. Schelling expliziert durch seinen Begriff des Triebes ein Phänomen der Philosophie des Geistes, was man in moderner Terminologie „Intentionalität“ nennt: „Die Richtung auf ein äußeres Objekt äußert sich […] durch einen Trieb“. Zugleich thematisiert er darin ein Phänomen, welches man in moderner Terminologie als „mentale Verursachung“ bezeichnet: „Jener Trieb, der in meinem Handeln Causalität hat, muß objektiv erscheinen als ein Naturtrieb, der auch ohne alle Freiheit wirken und für sich hervorbringen würde, was er durch Freiheit hervorzubringen scheint. Um aber diesen Trieb anschauen zu können als Naturtrieb, muß ich mir objektiv erscheinen als zu allem Handeln getrieben durch einen Zwang der Organisation (durch Schmerz in der allgemeinsten Bedeutung), und alles Handeln, um objektiv zu seyn, muß, sey es durch noch so viele Mittelglieder, zusammenhangen mit einem physischen Zwang, welcher als Bedingung der erscheinenden Freiheit selbst nothwendig ist“. Schelling thematisiert durch den Zwang die Entscheidung und Verwirklichung der Freiheit in einer konkreten Handlung, die in der Welt der Erscheinungen stattfindet. Dieses die bloße ideelle Reflexion des „reinen Selbstbestimmen“ konkretisierende Moment einer Handlung nennt Schelling in Anknüpfung an Reinhold den „eigennützigen Trieb“. Durch diesen Trieb werde ich mir nach Schelling in der Unendlichkeit der Reflexion und Freiheit „meiner bloß als Individuums bewußt“. Dieser eigennützige Trieb, dessen Objekt „Glückseligkeit ist“, ist die Bedingung meiner empirischen Identität im Wollen. Schelling setzt neben der empirischen Natur eine „zweite und höhere Natur“, „in welcher ein Naturgesetz, aber ein ganz anderes, als in der sichtbaren Natur herrscht, nämlich ein Naturgesetz zum Behuf der Freiheit“. Dabei handelt es sich im Gegensatz zum empirisch-deskriptiven Naturgesetz um ein „Rechtsgesetz“, also eine normative Ordnung, die Schelling „als Bedingung des fortdauernden Bewußtseyns“ deduziert. Offen bleibt freilich die Frage, wie die Einheit dieser zwei Naturen im Wollen hergestellt werden kann.