Zusammenfassung der 1. Sitzung, 4.11.2020 – Einleitung

Die Freiheitsdebatte im unmittelbaren Ausgang von Kant (1786-1800) ist in der Forschung bislang fast unbekannt. Dabei haben die daran beteiligten Denker sehr originelle Freiheitsbegriffe entwickelt, teilweise in Anknüpfung an Kant, teilweise auch in Abgrenzung von seiner Philosophie. Bislang unbekannte Denker wie Johann Heinrich Abicht, Carl Christian Erhard Schmid, Leonhard Creuzer und Friedrich Carl Forberg, aber auch bekanntere Philosophen wie Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling haben sich daran beteiligt. Im Zentrum dieser Debatte standen unter anderem folgende systematische Fragen:

  • Wie lässt sich menschliche Willensfreiheit angesichts der kausalen Determination der Welt denken?
  • Inwiefern kann einem Freiheitsskeptizismus argumentativ begegnet werden?
  • Worin besteht das Charakteristikum moralischer Freiheit?
  • Ist eine Freiheit zum Bösen denkbar und wenn ja, wie genau?
  • Wie ist das Subjekt der Freiheit zu denken?

Ihren Ausgang nahm die Debatte von verschiedenen zentralen Aussagen Kants, die weiter begründungsbedürftig und problematisch erschienen. So vertritt Kant die These, dass der Mensch nur als intelligibles Wesen (homo noumenon) frei ist, als empirisches Wesen hingegen nicht. Wie kann dann aber der ganze Mensch als frei gedacht werden? An diesem Punkt setzte etwa Friedrich Schillers Philosophie an. Auch vertritt Kant die These, dass ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen „einerlei“ sei. Sind wir dann nur im Falle von moralisch guten Handlungen frei zu nennen, und im Falle von unmoralischen Handlungen nicht? Diese problematische Konsequenz sollte etwa Carl Christian Erhard Schmid im Rahmen seines „intelligiblen Fatalismus“ ziehen. Karl Leonhard Reinhold und Johann Gottlieb Fichte wiederum argumentierten gegen den intelligiblen Fatalismus, da sie dadurch die menschliche Freiheit infrage gestellt sahen. Wenn nur der moralische Wille frei ist, wie können wir dann die individuelle Entscheidungsfreiheit (unsere „Willkür“) genau verstehen, uns für einander entgegengesetzte Optionen entscheiden zu können?