Zusammenfassung der 5. Sitzung, 13.11.2018: Newton und Leibniz

Im Zentrum der Sitzung stand die Diskussion zwischen Isaac Newton bzw. seinem Schüler Samuel Clarke und dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz über die Frage, ob es eine absolute Zeit gibt, wie sie Newton in seinen „Mathematische Prinzipien der Naturlehre“ postuliert hatte. Die absolute Zeit ist nach Newton unabhängig von bestimmten Bewegungen oder konkreten Zeitmaßen wie Tagen oder Jahren, sondern die reine Dauer an sich. Man könnte sie sich vorstellen wir eine reine B-Reihe, in der sich verschiedene zeitliche Bewegungen abspielen. Nur dank der gleichmäßig verlaufenden absoluten Zeit kann überhaupt gemessen werden, ob sich etwas schneller oder langsamer in der Welt bewegt. Während sich Tage und Jahre durch ihre astronomische Bedingtheit zeitlich minimal unterscheiden können, ist dies bei der absoluten Zeit begrifflich ausgeschlossen: „[D]er Verlauf der absoluten Zeit kann nicht geändert werden. Dieselbe Dauer und dasselbe Verharren findet für die Existenz aller Dinge statt; mögen die Bewegungen geschwind, oder langsam oder Null sein.“ (27)

Leibniz hingegen hält die Zeit für etwas „bloß Relatives“ bzw. „für eine Ordnung des gleichzeitig Bestehenden“. Raum und Zeit sind beide nur „gewisse Ordnungen von Dingen“, stellen aber „keineswegs eine absolute Wesenheit“ dar. Für Leibniz gilt, „daß die Augenblicke außer den Dingen nichts sind und daß sie ausschließlich in deren aufeinanderfolgender Ordnung Bestand haben“. Ob dieselbe zeitliche Periode einer Bewegung früher oder später einsetzt, ist für Leibniz unerheblich. Der Einsatzpunkt ändert nichts an der ontologischen Verfasstheit der Periode selbst. Sie ist zu allen Zeitpunkten dieselbe, sofern sie in sich identisch bleibt. Dagegen wendet Samuel Clarke ein, „[d]aß Raum und Zeit nicht die bloße Ordnung von Mengen sind, sondern wirkliche Mengen (was Anordnung und Lage nicht sind)“. Er argumentiert für die Annahme einer absoluten Zeit, insofern die „Ordnung des Aufeinanderfolgens von Dingen in der Zeit […] nicht die Zeit selbst [ist]: denn sie können in derselben Aufeinanderfolge schneller oder langsamer aufeinander folgen, aber nicht in derselben Zeit.“ Leibniz scheint Probleme zu haben zu zeigen, dass die Zeit in allen Gegenständen und Veränderungen gleich schnell verläuft. Darauf antwortet Leibniz: „„Man hält mir hier entgegen, daß die Zeit keine Ordnung der aufeinanderfolgenden Dinge sein könne, weil die Menge der Zeit zunehmen oder abnehmen könne, während die Ordnung des Aufeinanderfolgens dieselbe bleibt. Ich antworte, daß das durchaus nicht so ist: denn wenn die Zeit mehr ist, so wird es mehr gleichartige dazwischenliegende Zustände geben, und wenn sie weniger ist, so wird es weniger davon geben, weil es überhaupt nichts Leeres gibt, keine Verdichtung und kein Hereinströmen, sozusagen, hinsichtlich der Zeit sowenig wie hinsichtlich der Orte.“ (98) Nach Leibniz sind die Zeitteile nur „in der Vorstellung vorhanden“. Eine leere Zeit und einen leeren Raum kann es deswegen nicht geben. Es gilt, „daß die Zeit ohne Dinge nichts anderes ist, als eine bloße, nur in der Vorstellung vorhandene Möglichkeit“. Die Annahme einer absoluten Zeit würde nach Leibniz einer Vergöttlichung gleichkommen: „Es heißt, aus der Zeit ein absolutes, von Gott unabhängiges Ding zu machen, während doch die Zeit nur unter den Gegenständen der Schöpfung koexistieren kann und / nur in der Ordnung und der Menge ihrer Veränderungen zu begreifen ist.“