Zusammenfassung: Ethik der neuronalen Netze

Unter den neueren Entwicklungen künstlicher Intelligenz stechen besonders die künstlichen neuronalen Netze hervor, da sie neue ethische Herausforderungen mit sich bringen. Im Gegensatz zu symbolverarbeitenden, deduktiv verfahrenden Systemen operieren künstliche neuronale Netze (KNNs) so, dass sie lernen und sich selbst verbessern können. Sie sind unserem menschlichen Gehirn nachgebildet und beinhalten verschiedene Schichten von Neuronen, die miteinander durch Gewichtungen verbunden sind. Während die Neuronen im Prozess des Lernens und Erkennens nicht verändert werden, verändern sich die Gewichtungen, in denen Neuronen zueinander stehen. Diese Gewichtungen der Verbindungen von Neuronen sind nach langem Trainingsprozess eingespielt, so dass man darin das „Wissen“ des Systems verorten kann. Ein KNN kann sich selbst verbessern, indem ein Fehler von der Ausgabeschickt wieder zur Eingabeschickt zurückgegeben wird, so dass das System dazu dient, Fehler möglichst zu minimieren.

Inwiefern kann aber ein KNN im Sinne eines intelligenten oder autonomen Agenten verstanden werden? Dies hängt freilich davon ab, was wir unter „intelligent“, „autonom“ und „Agent“ verstehen. Sicherlich können wir in einem abstrakten Sinne KNNs eine Intelligenzleistung zuschreiben, da sie ja Muster erkennen. Sie besitzen gewissermaßen eine bestimmende Urteilskraft, verschiedene (neuartige) Phänomene vorgegebenen Kategorien zuzuordnen. Diese Intelligenz ist jedoch nicht wirklich originell, da einem KNN immer von außen Ziele und Muster vorgegeben werden müssen. Dennoch besitzen sie eine Art Vermögen, um Muster verschiedenste Art und phänomenaler Ausprägung (akustisch, visuell, genetisch, emotional?) zu erkennen. Autonom sind sie aber nicht im strengen Sinne, da sie sich selbst keine Ziele und Zwecke setzen können.

Aus ethischer Sicht sind deswegen KNNs nicht so sehr als drohende neue Superintelligenz problematisch, sondern aus lebensweltlichen Perspektiven, die etwa zur Vernichtung von Arbeitsplätzen oder totaler Kontrolle führen können. KNNs erlauben es, unsere Daten noch gezielter auszuwerten, da wir selbst eine Quelle verschiedener Muster darstellen. Hinzu kommt, dass KNNs Emotionen simulieren können, so dass wir dazu neigen, sie anthropomorphisch zu betrachten. Hier stellt sich die Frage, wie KNNs in unsere Lebenswelt integriert werden sollen, und wie viel „Freiraum“ wir ihnen lassen sollten. Denn es ist möglich, dass außer Kontrolle geratene KNNs durch ihre Simulationsleistungen zu Täuschungen führen können, wie es etwa auch das Phänomen des „deep fake“ zeigt.