Zusammenfassung: Hume und Smith über moralische Motivation

David Hume bestimmt das Verhältnis von (praktischer) Vernunft und Emotionen mit Blick auf moralische Motivation so, dass sie „uns über die schädlichen und nützlichen Folgen von Eigenschaften und Handlungen“ zwar „aufklären“ kann, jedoch nicht hinreichend ist, „um moralischen Tadel oder moralisches Lob hervorzurufen“. Die Vernunft ist nach Hume nur ein deskriptives Vermögen, welches instrumentelle Überlegungen hervorbringt, jedoch keine moralisch-normativen Bewertungen vollziehen oder Handlungen motivieren kann. Dazu ist nach Hume noch ein Gefühl notwendig, „das bewirkt, daß wir das Nützliche dem Schädlichen vorziehen“. Hume bestimmt das entscheidende Gefühl in moralischer Hinsicht als „eine Freude über das Glück der Menschheit und eine Empörung über deren Elend“. Während die Vernunft uns nur „über die verschiedenen Tendenzen der Handlungen“ „belehrt“, trifft das Gefühl der Menschlichkeit „eine Entscheidung zugunsten derjenigen Handlungen, die nützlich und wohltätig sind“. Hume vertritt die These, „daß die Moralität durch das Gefühl bestimmt ist“. „Tugend“ bestimmt Hume deswegen gefühlstheoretische als „jede geistige Handlung oder Eigenschaft, die in einem Zuschauer das angenehme Gefühl der Billigung hervorruft, und das Laster als dessen Gegenteil.“ Die Vernunft ist „die Quelle der Erkenntnis des Wahren und Falschen“, während der Geschmack „die Quelle des Gefühls von Schönheit und Mißbildung, Laster und Tugend“ ist. Die Vernunft als deskriptives Vermögen „entdeckt Gegenstände, wie sie wirklich in der Natur vorkommen, ohne ihnen etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen“, während der Geschmack als ein normatives Vermögen „ein produktives Vermögen“; er „vergoldet oder färbt alle natürlichen Gegenstände mit solchen Farben, die er sich von dem inneren Gefühl leiht, und so schöpft er in gewisser Weise etwas Neues.“ Als deskriptives Vermögen ist die Vernunft „kühl und distanziert“, und besitzt nur instrumentelle Bedeutung für jegliche Motivation: „Sie ist kein Motiv der Handlung und zeigt dem Impuls, den wir von der Lust oder der Neigung empfangen, nur die Mittel, durch die wir Glück erreichen oder Unglück vermeiden können.“ Dagegen ist der Geschmack „ein Motiv der Handlung und ist die erste Quelle oder der erste Impuls für Verlangen und Wollen, weil er Freude oder Schmerz erzeugt“. Durch unsere Vernunft klären wir Verhältnisse auf und entdecken neue Zusammenhänge. Doch folgt daraus noch nicht unsere normative Einstellung dazu: „Nachdem alle Umstände und Verhältnisse bekannt sind, läßt uns der Geschmack durch das Ganze ein neues Gefühl von Tadel oder Lob fühlen.“ Der Geschmack ist also ein Vermögen zweiter Stufe. Er reflektiert auf die Erkenntnisse der Vernunft und bewertet sie, so dass auf dieser Basis erst motivationale Gründe entstehen können.

Da der Geschmack, den Hume in eine enge Verwandtschaft zum Willen, Affekt und Gefühl stellt, gegenüber der Vernunft höherstufig ist, kann er nicht in einen Konflikt mit der Vernunft geraten: „Wir drücken uns nicht genau und philosophisch aus, wenn wir von einem Kampf zwischen Affekt und Vernunft roden. Die Vernunft ist nur der Sklave der Affekte und soll es sein; sie darf niemals eine andere Funktion beanspruchen, als die, denselben zu dienen und zu gehorchen.“ Daraus folgt nach Hume folgende provokative These: „Es läuft der Vernunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will, als einen Bitz an meinem Finger. Es widerspricht nicht der Vernunft, wenn ich meinen vollständigen Ruin auf mich nehme, um das kleinste Unbehagen eines Indianers oder einer mir gänzlich unbekannten Person zu verhindern. Es verstößt ebensowenig gegen die Vernunft, wenn ich das erkanntermaßen für mich weniger Gute dem Besseren vorziehe und zu dem Ersteren größere Neigung empfinde, als für das Letztere.“

Adam Smith charakterisiert das Mitleid bzw. das Erbarmen als „Prinzip“ der eigenen „Natur“, das darin besteht, „an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen“. Im Mitleid fühlen wir uns in die Situation der anderen Person hinein, und zwar durch unser Vermögen der Phantasie, welche uns die Situation einer anderen Person nachempfinden und bewusst werden lässt, indem wir sie nachempfinden. Moralische Motivation entspringt nach Smith durch Verbindung von Vernunft, Urteilskraft und empathischer Phantasie: „Das Mitleid des Zuschauers muß […] ganz und gar aus der Erwägung entstehen, was er selbst wohl fühlen würde, wenn er in die gleiche unselige Lage versetzt wäre und wenn er dabei gleichzeitig fähig wäre – was vielleicht unmöglich ist – diese Lage mit seiner gegenwärtigen Vernunft und Urteilskraft zu betrachten.“ Wie Hume argumentiert Smith für die Unabhängigkeit der menschlichen Vermögen in ihrer Interaktion: „Jedes Vermögen, das ein Mensch in sich findet, ist der Maßstab, nach welchem er das gleiche Vermögen bei einem anderen beurteilt. Ich beurteile deinen Gesichtssinn nach meinem Gesichtssinn, dein Gehör nach meinem Gehör, deine Vernunft nach meiner Vernunft, dein Vergeltungsgefühl nach meinem Vergeltungsgefühl, deine Liebe nach meiner Liebe. Ich habe kein anderes Mittel und kann kein anderes Mittel haben, sie zu beurteilen.“ Daraus folgt, dass wir aus bloß vernünftigen Überlegungen nie zu einer moralischen Handlung motiviert werden.