Zusammenfassung: Hösles Umweltethik

Hans Jonas hatte im Rahmen seiner Verantwortungsethik versucht, das Sein-Sollen-Problem im Ausgang von David Hume zu lösen (und damit auch den „naturalistischen Fehlschluss“ G.E. Moores, d.h. die Reduktion von normativen auf natürliche (und metaphysische) Prädikate, zu vermeiden). Ein direkter Schluss von der (organischen Ordnung der) Natur auf ihre Schutzwürdigkeit oder Würde, d.h. ihren normativen Status, ist nicht unmittelbar möglich:

Prämisse1 (deskriptiv): Die Natur ist organisch verfasst bzw. besitzt eine Ordnung.

Konklusion (normativ): Also ist die Natur schutzbedürftig.

Jonas hat deswegen versucht, weitere Prämissen einzufügen, die den Übergang vom natürlichen Sein auf das normativ-moralische Sollen der Natur ermöglichen sollen:

Prämisse1 (deskriptiv): Die Natur ist organisch verfasst bzw. besitzt eine Ordnung.

Prämisse2 (deskriptiv): Die Natur ist teleologisch verfasst und verfolgt eigene Zwecke.

Prämisse3 (deskriptiv-normativ): Eine Natur, die Zwecke verfolgt, setzt Werte.

Prämisse4 (deskriptiv-normativ): Eine Welt mit Zwecken ist besser als eine Welt ohne.

Konklusion (normativ): Die (organische) Natur ist schutzbedürftig.

Konklusion (normativ): Wir Menschen müssen die Natur schützen.

Der Jonas-Schüler Vittorio Hösle (*1960) hat versucht, im Ausgang von Jonas den Übergang vom natürlichen Sein auf das normative Sollen auf Basis seiner Theorie des „objektiven Idealismus“ zu lösen. Hösle kritisiert an der modernen Naturwissenschaft, dass sie die Natur als ein reines Objekt betrachtet bzw. darauf reduziert. Ferner kritisiert er ihnen Konstruktivismus, was man so verstehen kann, dass sie Zwecke in der Natur als bloße menschliche Konstrukte erklärt. Stattdessen fordert Hösle eine „Konzeption der Wesenserkenntnis, deren Kern die Idee des Guten ist“ (69). Hösle dagegen fordert, dass die Natur eine „Dignität“ (71) und „Subjektivität“ (69) besitzen muss. Hösle kritisiert an Jonas, dass er eine „aristotelisierende Ontologie“ bzw. einen „Monismus des Seins“ (71) seiner Ethik zugrunde legt. Im Gegensatz zu Kant möchte Jonas einen Dualismus von Sein (Natur) und Sollen (Moral) vermeiden. Das normative Sittengesetz „prinzipiiert“ nach Hösle die Natur; es ist „nichts ontologisch radikale Anderes“ als die Natur, sondern ihr „Grund“ (71). Da die Natur so durch die ideale Welt fundiert ist, „ist sie selbst etwas Werthaftes“ (71). Demnach gilt nach Hösle, „daß die Natur notwendig Subjektivität erzeugt“ (72), und diese Subjektivität zeigt sich auf basaler Ebene bereits im Organismus. Die Subjektivität der Natur ist nicht unsere menschliche Subjektivität, sondern eine ‚absolute ideale‘, zu der sich die Natur am Ende in Form des Menschen ‚läutert‘. Hösle unternimmt also eine „metaphysische[] Aufwertung“ der Natur, woraus folgt, dass – im Gegensatz zu Kant – auch die Natur ein „Objekt sittlicher Pflichten“ (72) ist. Wie Jonas argumentiert Hösle, dass die Natur Werte setzt und verwirklicht, die „nicht ohne Not“ (73) zerstört werden dürfen. Nach Hösle ist die „Erkenntnis des Wertes eines Naturwesens etwas Höheres als die bloße Existenz dieses Wertes“ (73). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch wahllos die Natur zerstören darf, denn darin befindet sich nach Hösle durch den langen Evolutionsprozess „natürliche Weisheit“ (73).

Im Gegensatz zu Jonas‘ Argumentation lautet die von Hösle folgendermaßen:

Prämisse 1 (deskriptiv): Die Natur verfolgt Zwecke.

Prämisse 2 (deskriptiv): Der Natur liegt eine absolut ideale Subjektivität zugrunde.

Prämisse 3 (normativ): Die ideale Subjektivität hat normative Geltung.

Konklusion (normativ): Natürliche Zwecke haben (gestuft) normative Geltung.

Konklusion (normativ): Wir Menschen dürfen die Natur nicht ohne Not zerstören.