Zusammenfassung: Was ist Handlungsfreiheit?

Wir können den recht allgemeinen Begriff der Freiheit in verschiedenen Hinsichten weiter differenzieren. Unter negativer Freiheit verstehen wir die Freiheit von etwas, also z.B. die Freiheit von Zwang (Unabhängigkeit). Unter positiver Freiheit verstehen wir die Freiheit zu etwas, z.B. die Freiheit zu tun, was wir wollen. Genau dies bezeichnet unsere Handlungsfreiheit: Wir können unseren Willen ungehindert in eine Handlung überführen, also unseren Willen kausal realisieren. In der Regel verstehen wir unter Freiheit genau diese Art von Freiheit, und wir betrachten sie als diejenige Freiheit, die uns genügt. Allerdings gibt es noch eine andere Art von Freiheit, die man Willensfreiheit nennt. Dahinter steckt der Gedanke, dass wir immer auch sicherstellen müssen, dass der Wille, den wir in eine Handlung überführen wollen, unser Wille ist, und dass er nicht fremdbestimmt ist oder von anderen manipuliert wird. Willensfreiheit besagt also, dass wir nicht nur tun, sondern auch wollen können müssen, was wir wollen, d.h. dass wir willentlich unseren Willen bestimmen und bilden können. Gegen die Auffassung von Willensfreiheit wurde immer wieder verschiedene Argumente vorgebracht zugunsten der weniger voraussetzungsvollen Auffassung von Handlungsfreiheit. Denn wieso sollten wir, wenn wir etwas wollen, das, was wir wollen, noch einmal wollen? Genügt es nicht, etwas zu wollen, und dies dann auch zu können? Wenn wir etwas wollen, dann wollen wir etwas, und es zählt nur noch die Frage, ob wir dies auch tun können – so der grundlegende Einwand der Vertreter der Handlungsfreiheit.

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) hat die Auffassung von Willensfreiheit kritisiert. Wir können uns zwar denken, dass wir auch andere Handlungen tun können als die, die wir tatsächlich wollen. Doch bedeutet dies genau gesagt, dass wir diese anderen Handlungen nur dann tun können, wenn wir einen anderen Willen haben als denjenigen, den wir gerade haben. Schopenhauer kritisiert nun eine Auffassung von Willensfreiheit, nach der wir „in einem gegebenen Fall auch Entgegengesetztes wollen könne[n]“. Willensfreiheit, so Schopenhauer, fordert, dass wir unter exakt denselben inneren und äußeren Umständen einmal das eine, ein andermal etwa das Gegenteil wollen können. Wenn dies aber so ist, dann muss unser Wille ein Vermögen sein, welches unbestimmt ist. Wie aber kann aus Unbestimmtheit Bestimmtheit folgen?

Der englische Philosoph John Locke (1632-1704) darf als einer der größten Kritiker der Willensfreiheit und als prominenter Vertreter der Handlungsfreiheit gelten. In seinem Essay Concerning Human Understanding (1690) hat Locke das Thema Freiheit unter dem Gesichtspunkt der Kraft diskutiert. Er bestimmt die Freiheit ganz allgemein als „eine Kraft, bestimmte Handlungen in sich anzufangen oder zu unterlassen, fortzusetzen oder abzuschließen“ bzw. als „Idee einer Macht, die ein handelndes Wesen hat, irgendeine einzelne Handlung zu vollziehen oder zu unterlassen, gemäß der Entscheidung oder dem Gedanken des Geistes, wobei eines dem andern vorgezogen wird.“ Unser Begriff der Notwendigkeit bedeutet, dass wir in unserer Kraft, zu tun was wir wollen, völlig eingeschränkt sind: „[W]o das handelnde Wesen nicht die Macht hat, das eine von beiden seiner Willensäußerung gemäß zu bewirken, da fehlt ihm die Freiheit; ein solches Wesen unterliegt der Notwendigkeit“. „Denken“, also Rationalität sowie „Willensäußerung“, also Wünschen, Begehren und Wollen sind nach Locke für unsere (Handlungs-)Freiheit notwendige Bedingungen. Ohne sie können wir nicht Freiheit erlangen. Doch sind Rationalität und Willensäußerungen noch nicht hinreichend für (Handlungs-)Freiheit. Freiheit betrifft nicht den Willen oder die Entscheidung für die eine oder die andere Option, sondern „die Person, in deren Macht es steht, gemäß der Wahl oder Verfügung des Geistes etwas zu tun oder zu unterlassen“. Der Grad unserer (Handlungs-)Freiheit bemisst sich nach Locke an unserer Macht, unseren Willen ungehindert in eine Handlung zu überführen. Locke kritisiert nun die Auffassung von Freiheit als Freiheit unseres Willens. Wir können deshalb nach Locke nicht willensfrei genannt werden, weil Freiheit keine Eigenschaft des Willens sein kann. Der Wille ist nach Locke keine Substanz oder ein Subjekt, also ein Wesen, das zu einer Aktivität fähig ist. Vielmehr sind der Wille und die Freiheit Eigenschaften der Person. Den Willen frei zu nennen bedeutet nach Locke, einen Kategorienfehler zu begehen: „Die Frage, ob der Wille des Menschen frei sei, ist ebenso sinnlos wie die, ob sein Schlaf geschwind oder seine Tugend viereckig sei.“ Die Person ist nach Locke frei zu nennen durch die Kraft ihres Willens, aber die Kraft des Willens bedeutet gerade die Freiheit: „Kräfte sind Relationen, nicht handelnde Wesen; nur das, was die Kraft zu wirken besitzt oder nicht besitzt, ist frei oder nicht frei; die Kraft selbst ist es nicht“. Freiheit besteht nach Locke nur „in der Kraft zu handeln oder das Handeln zu unterlassen“. Der Wille ist diese Kraft, besitzt sie jedoch nicht. Freiheit ist deswegen als Kraft eine Relation, die zwischen der Person und ihrer intendierten Handlung besteht oder nicht besteht. Nach Locke besitzen wir vollkommene Freiheit, wenn wir Handlungsfreiheit besitzen, denn „es läßt sich schwerlich angeben, wie wir uns ein Wesen noch freier vorstellen können, als es dann ist, wenn es fähig ist, zu tun, was es will“.  Die Kraft des Menschen definiert seine Freiheit. Wozu er keine Kraft besitzt, entweder weil er zu schwach ist oder gehindert wird, da wird seine Freiheit begrenzt. Freiheit betrifft demnach nur die Frage, ob der Mensch Kraft hat. Dagegen würde nach Locke Willensfreiheit bedeuten, dass „man die Tätigkeit des Wollens von seinem [des Menschen] Willen abhängig sein läßt“. Damit aber der Mensch sein Wollen wollen kann, muss er von einem höherstufigen Willen aus sein Wollen bestimmen. Prinzipiell aber gibt es dann keine Grenze für noch höherstufige Willen, so dass man nie zu einem Entschluss käme. Allerdings erblickt Locke „die Quelle aller Freiheit“ nicht in unserer Kraft, zu tun was wir wollen, sondern in der Kraft, „bei der Verwirklichung und Befriedigung irgendeines Wunsches innezuhalten und mit allen andern Wünschen der Reihe nach ebenso zu verfahren, so hat er auch die Freiheit ihre Objekte zu betrachten, sie von allen Seiten zu prüfen und gegen andere abzuwägen“. In dieser „Hemmung des Begehrens“, bzw. unserer Fähigkeit der bewussten willentlichen Kontrolle unserer Willensäußerungen liegt dasjenige, was man nach Locke, wenn auch „unzutreffend“, „den freien Willen nennt“: „Denn während einer solchen Hemmung des Begehrens, ehe noch der Wille zum Handeln bestimmt und die (jener Bestimmung folgende) Handlung vollzogen wird, haben wir Gelegenheit, das Gute oder Üble an der Handlung, die wir vorhaben, zu prüfen, ins Auge zu fassen und zu beurteilen.“