Zusammenfassung: Hume und Hegel über Aufklärung

Der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) hat sich in seinem Aufsatz „Über Aberglaube und Schwärmerei“ mit den Gründen für unsere (religiöse) Unmündigkeit befasst. Aberglaube und Schwärmerei sind nach Hume „Entartungen der wahren Religion“ bzw. „Arten unechter Religion“. Daraus folgt, dass Hume nicht alle Religionen oder Religion schlechthin kritisiert. Es geht Hume darum, die Gründe für unsere Tendenz, abergläubisch und schwärmerisch zu werden, zu identifizieren. Er entdeckt diese Gründe in „unerklärlichen Ängsten und Befürchtungen“. Diese emotionalen Zuständen gelten Gegenständen, die häufig nicht existieren, sondern bloße Konstrukte unserer Phantasie sind: „Schwachheit, Furcht und Schwermut, verbunden mit Unwissenheit, sind […] die wahre Quelle des Aberglaubens“ bzw.: „Hoffnung, Stolz, Vermessenheit, eine lebhafte Einbildungskraft, verbunden mit Unwissenheit, sind […] die wahre Quelle der Schwärmerei.“ Dieses Fazit ähnelt erstaunlich demjenigen Kants, der über die Unmündigkeit geschrieben hatte: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Theil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen […], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben“. Humes Kritik des Aberglaubens und der Schwärmerei erweist sich bei näherer Betrachtung als eine Kritik unseres Geistes, unserer Einbildungskraft und Phantasie. In der Schwärmerei überschreitet unsere Phantasie die Grenzen unseres Verstandes und „Fassungsvermögens“, was in letzter Konsequenz dazu führen kann, dass „[m]enschliche Vernunft und selbst Moralität werden als trügerische Führer verworfen“ werden. Stattdessen führt der Aberglaube dazu, dass sich eine Person der „Macht der Priester“ und „Sekten“ unterwirft, d.h. ihr kritisches Denken delegiert. Dies ähnelt Kants Kritik, wonach wir in der Unmündigkeit einen Priester haben, „der für mich Gewissen hat“.

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) hat den Begriff der Aufklärung im Kontext seiner Phänomenologie des Geistes (1807) kritisch analysiert. Der Begriff der Aufklärung besteht darin, dass er sich, „der Vernunft und Wahrheit“, den Glauben entgegensetzt als „ein Gewebe von Aberglauben, Vorurteilen und Irrtümern“ und „Reich des Irrtums“. Hegel unterscheidet den Gegenbegriff der Aufklärung zum einen in eine „Masse des Bewusstseins“, die in ihrem Irrtum naiv versunken ist, zum andern aber in die „Priesterschaft“, welche die naive Masse bewusst „betört“ und sich mit dem „Despotismus“ „verschwört“, der die „schlechte Einsicht der Menge“ und die schlechte Absicht der Priester „in sich vereinigt“, um sie zu beherrschen. Hegel spricht mit Blick auf die Menge, die Priester und den Despoten von den „drei Seiten des Feindes“ der Aufklärung, die er begrifflich als allgemeine „reine Einsicht“ bestimmt. Als solche muss sie sich zunächst auf die „schlechte Einsicht der Menge“, d.h. „die willenlose, nicht zum Fürsichsein sich vereinzelnde Einsicht, der Begriff des vernünftigen Selbstbewußtseins, der an der Masse sein Dasein hat, aber in ihr noch nicht als Begriff vorhanden ist“, beziehen, die ihr unmittelbar entgegengesetzt ist. In dieser begrifflichen Opposition zwischen Aufklärung bzw. Wahrheit auf der einen und Irrtum auf der anderen Seite liegt nach Hegel jedoch eine schwerwiegende Problematik für die Aufklärung selbst. Denn indem sich die Aufklärung von der „schlechte[n] Einsicht“ der Menge bzw. „Irrtum und Lüge“ als ihr Gegenteil abgrenzt, macht sie sich davon indirekt begrifflich abhängig: „In diesen Widerspruch verwickelt sie sich dadurch, daß sie sich in Streit einläßt und etwas anderes zu bekämpfen meint. – Sie meint dies nur, denn ihr Wesen als die absolute Negativität ist dieses, das Anderssein an ihr selbst zu haben.“ Die Aufklärung macht sich also von dem (von) ihr Entgegengesetzten indirekt selbst abhängig und droht somit, gerade nicht mehr Aufklärung zu sein: „Was hiermit die reine Einsicht als ihr Anderes, was sie als Irrtum oder Lüge ausspricht, kann nichts anderes sein als sie selbst; sie kann nur das verdammen, was sie ist. Was nicht vernünftig ist, hat keine Wahrheit, oder was nicht begriffen ist, ist nicht; indem also die Vernunft von einem Anderen spricht, als sie ist, spricht sie in der Tat nur von sich selbst; sie tritt darin nicht aus sich heraus.“ Die Aufklärung findet ihren Inhalt nur im Negativen, in der Entgegensetzung und Negation der Unmündigkeit: „Ihre Vollendung hat daher diesen Sinn, den ihr zuerst gegenständlichen Inhalt als den ihrigen zu erkennen. Ihr Resultat wird dadurch aber weder die Wiederherstellung der Irrtümer, welche sie bekämpft, noch nur ihr erster Begriff sein, sondern eine Einsicht, welche die absolute Negation ihrer selbst als ihre eigene Wirklichkeit, als sich selbst erkennt, oder ihr sich selbst erkennender Begriff.“ Hegel spricht in diesem Kontext von einem „Kampf[] der Aufklärung mit den Irrtümern“. Es geht deswegen darum, dass sich die Aufklärung selbst aufklären muss, da sie sonst einer Dialektik erliegt und sich von dem von ihr Bekämpften selbst abhängig macht und aufhört, wahre Aufklärung zu sein: „Die Aufklärung selbst aber, welche den Glauben an das Entgegengesetzte seiner abgesonderten Momente erinnert, ist ebensowenig über sich selbst aufgeklärt. Sie verhält sich rein negativ gegen den Glauben, insofern sie ihren Inhalt aus ihrer Reinheit ausschließt und ihn für das Negative ihrer selbst nimmt.“