Zusammenfassung: Das (moralische) Böse

Wie der Begriff des (moralisch) Guten, so ist auch der Begriff des (moralisch) Bösen ein stark normativer Begriff. Wir können zwischen zwei verschiedenen Bedeutungen von „böse“ unterscheiden, die der Doppeldeutigkeit des lateinischen Wortes malum als schlecht oder böse entsprechen. Das natürliche Übel (malum physicum) besteht etwa in Krankheiten, Defekten und Schwächen. Es bezeichnet einen Zustand, der gemessen an seinem Ideal in einer bestimmten Hinsicht mehr oder weniger defekt und unvollkommen ist. Doch ist dieser schlechte Zustand nicht auf eine bösartige Absicht zurückzuführen oder mit ihr zu identifizieren. Anders verhält es sich hingegen mit dem moralischen Übel (malum morale). Hierzu zählen nicht einfach defizitäre (natürliche) Zustände, sondern Einstellungen, Handlungen und Handlungsfolgen die moralisch qualifizierbar sind, wie etwa Mord, Diebstahl, Missgunst und Schadenfreude. Der Begriff des moralisch Bösen setzt wiederum andere Begriffe voraus, ohne den er nicht verständlich wird. Dazu gehört zum einen der Begriff der Normativität, ferner derjenige des Willens, der (inneren) Handlung sowie der Willensfreiheit, aber auch der praktischen Rationalität und der (motivationalen) Gründe.

Hinsichtlich des moralisch Bösen wiederum können wir zwischen zwei Formen weiter unterscheiden. Gemäß der Privationstheorie ist das Böse nur ein Mangel am Guten, gewissermaßen das „Weniger-Gute“. Wir können das Böse demnach als Form von moralischer Trägheit und Faulheit charakterisieren, das Gute zu tun. Ein Vertreter der Privationsthese ist etwa der spätantike Philosoph Plotin (205-270). Gemäß der Perversionstheorie besteht das Böse hingegen in einer Umkehrung („Perversion“) der guten Ordnung. Ein Beispiel hierfür wäre die Rationalisierung einer im Grunde unmoralischen Handlung als moralisch oder gerecht. Denn dabei erheben wir einen bloß individuellen Maßstab für Moralität über einen objektiven oder allgemeinen. Ein Vertreter der Perversionstheorie ist etwa Immanuel Kant.

Wie verhält sich das moralisch Böse zu unserer Vernunft? Gemäß der Privationsthese besteht das Böse in einem Mangel an Vernunft. Es entspringt etwa einem Denkfehler, der Willensschwäche oder unkontrollierten Neigungen und Trieben. Ein Problem dieser Auffassung besteht darin, dass uns diese Privation dann nicht ohne weiteres zurechenbar ist. Gemäß der Perversionsthese besteht das moralisch Böse in einem speziellen Gebrauch unserer Vernunft. Ein Beispiel wäre etwa der Einsatz von instrumenteller Vernunft zum Zweck eines Banküberfalls oder die Rationalisierung von Missgunst als gerechtfertigte Empörung. Ein Problem dieser Auffassung besteht darin, dass (praktische) Vernunft intrinsisch normativ zu sein scheint, und unmoralisches Handeln demnach unvernünftig sein muss.

Hinsichtlich des moralisch Bösen können wir nach seinem Subjekt fragen: Wer oder was ist eigentlich böse? In Frage kommen (i) Maximen oder Absichten (unser Wille), (ii) Handlungen, (iii) individuelle Personen und (iv) kollektive Personen, Institutionen und soziale Strukturen.