Zusammenfassung: Metaethik moralischer Motivation

Timothy Schroeder, Adina L. Roskies und Shaun Nichols entwickeln in ihrem Aufsatz „Moral Motivation“[1] eine Typologie verschiedener Theorien moralischer Motivation, und sie beziehen diese zugleich auf neuere Erkenntnisse der Hirnforschung. Nehmen wir an, eine Person A schenkt einer obdachlosen Person B hundert Euro. Wir sehen dieser Handlung nicht an, was die Gründe und die (moralische) Motivation war. Nun lassen sich fünf Theorien bezüglich moralischer Motivation unterscheiden: (i) Instrumentalismus, (ii) Kognitivismus, (iii) Sentimentalismus und (iv) Personalismus.

(i) Gemäß dem Instrumentalismus werden Personen durch Überzeugungen motiviert, die die Erfüllung von intrinsischen Bedürfnissen und Interessen ermöglichen. Intrinsische Bedürfnisse sind notwendig, aber nicht hinreichend für (moralische) Motivation. Diese Wünsche und Bedürfnisse warten gerade darauf, dass die richtigen Bedingungen entstehen, so dass sie erfüllt werden können. Eine Person wird gemäß dem Instrumentalismus also dadurch motiviert, dass sie eine Überzeugung bezüglich einer möglichen Erfüllung eines Bedürfnisses durch eine bestimmte Handlung ausbildet und gegenüber dieser Handlung ein weiteres Bedürfnis ausbildet, welches jedoch nicht intrinsisch, sondern nur instrumentell zur Befriedigung des intrinsischen Bedürfnisses ist. Man könnte dieses Bedürfnis auch „second-order desire“ nennen. Dieses Bedürfnis zweiter Stufe nach einer instrumentellen Handlung, die unser intrinsisches Bedürfnis befriedigt, ist die eigentliche Motivation. Freilich stellt sich hier die Frage, worin dann der Grund der moralischen Motivation besteht. Man müsste in diesem Fall ein intrinsisches moralisches Bedürfnis annehmen. Die instrumentalistische Position kann mit derjenigen David Humes in eine Verbindung gebracht werden. Hume hatte dafür argumentiert, dass die Vernunft instrumentell als Mittel zum Zweck der Befriedigung der Affekte (oder Bedürfnisse) gebraucht werden kann, jedoch intrinsisch keine Motivation oder moralische Erkenntnis generieren kann.

(ii) Kognitivismus: Im Gegensatz zum Instrumentalismus vertritt der Kognitivist die Auffassung, dass unsere Reflexion und unsere Überzeugungen entscheidend für moralische Motivation sind, und nicht unsere Bedürfnisse. Diese Überzeugungen sind Überzeugen davon, welche Handlungen moralisch gut sind. Diese moralischen Überzeugungen motivieren uns zu moralischen Handlungen, unabhängig von vorausgehenden Begehrungen und Wünschen. Die moralische Überzeugung erzeugt vielmehr einen moralischen Wunsch oder eine volitionale Einstellung. Immanuel Kants Theorie der Achtung kann als kognitivistische Theorie moralischer Motivation verstanden werden. Sie beginnt mit dem vernünftigen Test unserer Maximen, also einem moralischen Urteil über unsere Begehrungen. Wir besitzen demnach zwar immer schon Bedürfnisse, aber diese haben als solche keine motivationale Kraft, sondern müssen erst rational beurteilt werden, um zu Gründen unserer Handlung zu werden. Auch wenn wir eine Maxime erfolgreich getestet haben, verspüren wir in uns ein Gegenbedürfnis, den Eigendünkel. Dieser wird jedoch erneut reflektiert, und wir erkennen und beurteilen uns nach Kant über unsere natürlichen Bedürfnisse und Neigungen erhaben, was letztendlich zur moralischen Motivation führt.

(iii) Sentimentalismus: Dieser besagt, dass Emotionen eine kausale Rolle bei moralisch guten Handlungen spielen. Allerdings muss es sich dabei um eine intrinsisch gute Emotion handeln, wie etwa Mitleid. Hier stellt sich dann freilich die Frage, welche Emotionen für moralische Motivationen intrinsisch geeignet sind und welche nicht.

(iv) Personalismus: Während Instrumentalismus, Kognitivismus und Sentimentalismus jeweils ein mentales Phänomen ins Zentrum ihrer Theorie moralischer Motivation gestellt haben, vertritt der Personalismus eine holistische Position. Moralische gute Handlungen werden durch das Zusammenspiel verschiedener Phänomene in einem moralischen Charakter motiviert und bewirkt. Diese Position ähnelt der Aristotelischen Tugendethik, insofern dabei bestimmte Tugenden und Habitus, verbunden mit moralisch-lebensweltlicher Urteilskraft eine motivationale Rolle spielen.

Neuere hirnphysiologische Erkenntnisse zeigen, dass das instrumentalistische Modell besonders überzeugend erscheint, während das kognitivistische Modell als problematisch erscheint, weil sich rein kognitivistische Zustände unabhängig von Wünschen nicht gut hirnphysiologisch nachweisen lassen. Ebenso erscheint das sentimentalistische Modell problematisch, da sich Emotionen immer auf Bedürfnisse angewiesen sind. Dagegen lässt sich das holistische personalistische Modell gut auf die hirnphysiologischen Erkenntnisse anwenden, da auch die Funktionsweise des Gehirns nicht so sehr modular sondern holistisch ist.

[1] Schroeder, T., Roskies, A. L., & Nichols, S. (2010). Moral motivation. In J. M. Doris (Ed.) & Moral Psychology Research Group, The moral psychology handbook (pp. 72–110). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/acprof:oso/9780199582143.003.0004.