Zusammenfassung: Mitleid bei Hume und Schopenhauer

David Hume und Arthur Schopenhauer stellen das Mitleid aus verschiedenen Gründen ins Zentrum ihrer Betrachtung. Hier stellt sich die Frage, ob sie Mitleid als Emotion, als Affekt, als Stimmung oder als Gefühl verstehen. Hume bezeichnet das Mitleid als eine „passion“, was in der deutschen Übersetzung mit „Affekt“ wiedergegeben wird. Das Wort „passion“ leitet sich ab von altgriechisch πάσχειν, was so viel bedeutet wie „erleiden“. Wir kennen das Wort auch vom lateinischen „passio“, was so viel bedeutet wie „Erleiden, Leidenschaft“. Das englische Wort „passion“ kann aber auch mit „Erregung“ übersetzt werden. Hier stellt sich nun die Frage, ob jeder Affekt im Sinne einer Leidenschaft verstanden werden kann. Betont ist damit auf jeden Fall die Intensität des Phänomens, welches uns überkommen und so stark motivieren kann.

In seinem Traktat über die menschliche Natur unterscheidet Hume alle Phänomene des Bewusstseins (perceptions) basal in Eindrücke (impressions) und Vorstellungen (ideas). Eindrücke wiederum können unterschieden werden in primäre und sekundäre Eindrücke. Während primäre Eindrücke unmittelbar entstehen, z.B. durch „Körperbeschaffenheit“ oder „aus der Einwirkung von Objekten auf die äußeren Organe“, sind sekundäre Eindrücke (die Hume auch „Eindrücke der Selbstwahrnehmung“ nennt) insofern abgeleitet, als sie entweder unmittelbar oder vermittelt über eine Vorstellung aus einem einfachen Eindruck folgen. Hume versteht unter primären Eindrücken alle „körperlichen Schmerz- und Lustgefühle“, die „von natürlichen und physikalischen Ursachen abhängen“, unter sekundären Eindrücken „Affekte und alle ihnen ähnliche Gefühlsregungen“. Hume führt als Beispiel für sekundäre Eindrücke „Affekte“ wie „Kummer, Hoffnung, Furcht“ an, die als Reaktion auf den primären Eindruck eines Gichtanfalls folgen können. Diese „Affekte“ bzw. Emotionen sind also eine reflexive Reaktion auf den primären Eindruck, der körperlich bedingt ist. Die sekundären Eindrücke bzw. Eindrücke der Selbstwahrnehmung („Affekte“) unterscheidet Hume wieder in ruhige und heftige. Zu ersteren, die er auch „Gefühlsregungen“ nennt, zählt er „das Gefühl der Schönheit und Häßlichkeit angesichts einer Handlung, einer künstlerischen Komposition oder äußerer Objekte“, zu zweiteren, die er als Affekte im engeren Sinne bezeichnet, zählen „die Affekte der Liebe und des Hasses, des Grams und der Freude, des Stolzes und der Niedergedrücktheit“.

Die Affekte im engeren Sinne unterscheidet Hume wiederum in direkte und indirekte. Direkte Affekte entspringen „unmittelbar aus einem Gut oder einem Übel, aus Schmerz oder Lust“. Indirekte Affekte entspringen auch aus unmittelbaren primären Eindrücken, jedoch auf eine reflektiertere Art, insofern daran „noch andere Momente mitwirken“. Unter indirekten Affekten versteht Hume „Stolz, Kleinmut, Ehrgeiz, Eitelkeit, Liebe, Neid, Mitleid, Groll, Großmut und die aus ihnen ableitbaren Affekte“. Speziell mit Blick auf die „passion“ des Mitleids argumentiert Hume, dass das Mitleid von einem natürlichen, unmittelbaren Instinkt, Glück oder Unglück für andere zu verlangen, streng unterschieden werden muss. Das Mitleid ist vielmehr ein davon „künstlich nacherzeugt[es]“ Phänomen. Hume bestimmt Mitleid in diesem Sinne als „ein Bedauern […] über das Unglück anderer“. Die Affekte des Mitleids und der Schadenfreude sind insofern „Nebenaffekte“, als sie reflexiv „aus ursprünglichen Affekten entstehen, wenn solche durch eine bestimmte Wendung unserer Gedanken und unserer Einbildungskraft abgeändert werden“. Hume argumentiert nun, dass der sekundäre, indirekte Affekt des Mitleids von der Einbildungskraft abhängt. Sie ist jenes Moment, welches noch zu unserem Eindruck des Leides anderer hinzutritt, und so erst das komplexe Phänomen des Mitleids konstituiert.

Es ergibt sich damit folgende Übersicht:

Arthur Schopenhauer misst dem Mitleid noch eine größere Bedeutung zu als Hume es tut, und zwar nicht nur als ein innerpsychisches Phänomen, sondern als ein metaphysisches Motivationsprinzip. Im Gegensatz zu Kant argumentiert er, dass das Mitleid „die einzige nicht egoistische, auch die alleinige ächt moralische Triebfeder“ sei. Schopenhauer fasst Mitleid als Gegensatz von Grausamkeit auf. Das Mitleid ist unmittelbar in seiner Bedeutung einsichtig und braucht keine ethische Meta-Ordnung, die es regelt. Schopenhauer versteht es „als Gegengewicht des brennenden Egoismus, der alle Wesen erfüllt und oft in Bosheit übergeht“. Das Mitleid besitzt nach Schopenhauer insofern eine metaphysische Dimension, als es uns mit dem Leben, und das bedeutet auch immer, dem Leiden, anderer identifizieren lässt: „ein solcher Mensch, der in allen Wesen sich, sein innerstes und wahres Selbst erkennt, auch die endlosen Leiden alles Lebenden als die seinen betrachten und so den Schmerz der ganzen Welt sich zueignen muß. Ihm ist kein Leiden mehr fremd. Alle Qualen anderer, die er sieht und so selten zu lindern vermag, alle Qualen, von denen er mittelbar Kunde hat, ja die er nur als möglich erkennt, wirken auf seinen Geist wie seine eigenen. […] Er erkennt das Ganze, faßt das Wesen desselben auf und findet es in einem […] beständigen Leiden begriffen, sieht, wohin er auch blickt, die leidende Menschheit, die leidende Tierheit und eine hinschwindende Welt.“