Alles, was ist, scheint in seinem Werden und Entstehen eine Ursache zu haben. Aristoteles setzt sich zum Ziel, das „Warum (día tí) bei einem jeden“ zu analysieren. Im Zentrum der Sitzung stand die Frage, wie nach Aristoteles die vier Ursachen (aitíai) miteinander zusammenhängen.
Zunächst unterscheidet Aristoteles eine Art von Ursache als „dasjenige, aus welchem als in ihm enthaltenen Etwas wird“ (194b). Als Beispiel führt er das Erz einer Statue und das Silber einer Trinkschale an. Dies ist die sogenannte Stoff- oder Materialursache, lateinisch causa materialis. Wir haben darüber diskutiert, inwiefern eine unbestimmte Materie eine Ursache sein kann. Fest steht jedenfalls, dass eine Statue ohne Materie (welcher Art auch immer) nicht existieren würde. Die Materie ist also notwendige Bedingung der konkreten Statue, und insofern Grund oder (Mit-)Ursache ihrer Existenz. Eine zweite Ursachenart stellt die Form (eídos) oder das Muster (parádeigma) dar. Als Beispiel führt Aristoteles das Verhältnis einer Oktave, an, in dem die Frequenzen zweier Töne in der Relation 1:2 zueinander stehen. Wir haben darüber diskutiert, ob sich Formen oder Muster auch als komplexe Relationen verstehen lassen. Konkret kann eine Form auch die Form einer bestimmten Statue sein. Auf Lateinisch heißt diese Ursachenart „causa formalis“. Dass eine Form kausal wirksam ist, lässt sich leichter als im Falle der Stoffursache nachvollziehen. Denn hier wird etwas Unbestimmtes bestimmt, und diese Bestimmung kann kausal verstanden werden. Eine dritte Ursachenart stellt dasjenige dar, „woher der erste Anfang (arché) der Veränderung oder der Ruhe ausgeht“. Als Beispiel führt Aristoteles den Vater als Erzeuger des Kindes an. Diese Ursachenart nennt man auch „causa efficiens“, also Wirkursache. Sie ist die heutzutage geläufigste Ursachenart, vor allem in den modernen Naturwissenschaften. Eine vierte Ursachenart stellt schließlich der „Endzweck“ (télos) dar als „dasjenige, um dessen willen etwas ist“. Als Beispiel nennt Aristoteles das Spazierengehen als Zweck der Gesundheit. Dies ist die sogenannte causa finalis. Die Zweckursache findet in den modernen Naturwissenschaften keine Verwendung mehr. Es genügt, zu wissen, was etwas bewirkt hat und wie bzw. warum es dies getan hat (die Wirkursache ist mathematisch beschreibbar bzw. quantifizierbar). Zu fragen, wozu es dies gemacht hat, würde bedeuten, der Natur einen konkreten Zweck zu unterstellen, sie also auf eine gewisse Weise zu personifizieren.
Im Falle einer Statue können verschiedene Ursachen zugleich ursächlich für dasselbe sein, wenn auch auf verschiedene Weise (aber gleicher Beziehung auf die Statue hin). Aristoteles scheint alle Ursachenarten nach einer bestimmten Entwicklungslogik zu ordnen. Er beginnt mit der Stoffursache als bloßer Möglichkeit (gr. dýnamis; lat. potentia) und Unbestimmtheit. Die Formursache komplementiert die Unbestimmtheit zur Bestimmtheit und individuiert die Materie zu einer Substanz, dem sogenannten sýnholon („Zusammen-Ganzes“), die konkret ist (ein „Dieses-Was“, tóde tí). Form und Materie sind dabei nicht unabhängig von einander existent, sondern nur als ein Ganzes konstituierende Momente. Das Bilden einer Einheit, also das Zusammenbringen von Form und Stoff, scheint Aristoteles auf einer dritten Stufe als causa efficiens zu verstehen, wenn er von der „statuenbildende Kunst“ im Sinne von etwas spricht, „wovon die Bewegung ausgeht“ (195a). Die causa finalis schließlich lässt sich als der (kulturelle oder lebensweltliche) Gesamtkontext verstehen, innerhalb die Erschaffung der Statue situiert ist. Somit ergibt sich ein Aufstieg von der Unbestimmtheit (Materie) zur höchsten Bestimmtheit (Zweck) der Statue.