Der Begriff der „Metaphysik“ geht nicht direkt auf Aristoteles zurück. „Metaphysik“ bedeutet wörtlich „das, was hinter/nach der Physik (ist/steht)“ (τὰ μετὰ τὰ φυσικά; tà metà tà physiká). Die Präposition „hinter/nach“ ist zunächst nur ordnungslogisch-bibliographisch zu verstehen. Es ist dasjenige Werk, welches nach den antiken Gelehrten auf die aristotelische Physik folgte, die sich mit dem Werden und Entstehen der Dinge befasst. Doch die formale Ordnungsrelation kann auch inhaltlich verstanden werden. Denn in der „Metaphysik“ werden diejenigen Gegenstände und Fragen erörtert, die gerade nicht dem physikalischen Werden und Entstehen unterworfen sind: Das Seiende als Seiendes, die Substanz, die Ideen, Gott.
Aristoteles verwendet für Metaphysik die Bezeichnung „erste Philosophie“ (πρώτη φιλοσοφία – prōtē philosophia). Damit ist diejenige Wissenschaft gemeint, die das Sein als seiendes „to on he on“ betrachtet: „Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese Wissenschaft ist mit keiner der einzelnen Wissenschaften identisch; denn keine der übrigen Wissenschaften handelt allgemein vom Seienden als Seienden, sondern sie grenzen sich einen Teil des Seienden ab und untersuchen die für diesen sich ergebenden Bestimmungen, wie z. B. die mathematischen Wissenschaften. Indem wir nun die Prinzipien und höchsten Ursachen suchen, ist offenbar, dass diese notwendig Ursachen einer gewissen Natur an sich sein müssen.“ (Met. IV 1, 1003 a 21-28) Andere Wissenschaften, wie etwa die Biologie, betrachten das Seiende nur insofern als es lebendig ist, die Physik, insofern es körperlich ist, die Psychologie, insofern es seelisch ist usw. Nur die „erste Wissenschaft“ (d.h. die Ontologie bzw. Metaphysica generalis) betrachtet das Sein als solches. Wie aber kann das Seiende als Seiendes konkret bestimmt werden? Aristoteles dreht und wendet das Seiende nach allen möglichen Richtungen, beleuchtet es unter zahlreichen Aspekten. Dazu gehören zunächst seine zehn Kategorien, die er aus der alltäglichen Urteils- und Satzstruktur gewinnt: (1) Substanz (d.h. das Subjekt in einem Satz), (2) Quantität, (3) Qualität, (4) Relation, (5) Ort, (6) Zeit, (7) Lage/Zustand, (8) Haben, (9) Wirken, (10) Leiden. Weitere Aspekte des Seins sind seine vier Bedeutungen als (i) Existenz, (ii) Identität, (iii) Prädikation (iv) Wahrheit. Schließlich betrachtet Aristoteles das Sein auch noch aus modaler Perspektive: etwas kann (a) möglich (vermögend) und (b) wirklich sein.
Im Unterschied zur platonischen Ontologie ist die aristotelische stark deskriptiv und analytisch. Platons Ontologie ist hingegen stärker hierarchisch und normativ: Ideen als das höchste Seiende sind die „Vorbilder“ (paradeigmata) der empirisch wahrnehmbaren, vergänglichen Dinge, die an ihnen nur mehr oder weniger perfekt Teil haben.