Aristoteles über Kausalität (Physik II, 3-5)

3. Nachdem wir aber nun das Bisherige festgestellt haben, müssen wir die Erwägung über die Ursachen anstellen, wie beschaffen und wie viele der Zahl nach sie seien; denn da die Untersuchung um des Wissens willen ist, wir aber ein jedes nicht eher zu wissen glauben, als bis wir das Warum bei einem jeden erfaßt haben (dies heißt aber eben, die erste Ursache erfassen), so ist klar, daß auch wir dieses in betreff sowohl des Entstehens und Vergehens als auch der gesamten natürlichen Veränderung tun müssen, damit wir die Prinzipien wissen und dann auf dieselben ein jedes von dem, was wir suchen, zurückzuführen versuchen. Nach einer Auffassungsweise nun heißt Ursache dasjenige, aus welchem als in ihm enthaltenen Etwas wird, wie z.B. das Erz (Ursache der Statue) und das Silber (Ursache der Trinkschale), und die höheren Gattungen dieser, nach einer anderen Auffassungsweise aber die Form und das Muster, dies aber ist der Wesensbegriff und die höheren Gattungen desselben (wie z.B. von der Oktave ist die Ursache das Verhältnis von Zwei zu Eins, und allgemeiner die Zahl) und die Bestandteile des Begriffes; ferner heißt Ursache dasjenige, woher der erste Anfang der Veränderung oder der Ruhe ausgeht, wie z.B. der Ratgeber ist Ursache und der Vater Ursache des Kindes und überhaupt das Bewirkende Ursache des Bewirkten und das Verändernde des Veränderten; ferner in dem Sinne von Endzweck, dieser aber ist dasjenige, um dessen willen etwas ist, wie z.B. die Ursache des Spazierengehens ist die Gesundheit, denn auf die Frage: warum geht er spazieren? antworten wir: damit er gesund bleibe, und indem wir dies sagen, glauben wir die Ursache angegeben zu haben; und so denn auch bei allem, was, nachdem ein anderes die Bewegung veranlaßt hat, noch inzwischen vor dem Endzwecke geschieht, wie z.B. noch inzwischen vor der Gesundheit ist die Schwächung der zu üppigen Säfte oder die Ausreinigung |
[195a] oder die Arzneien oder die Werkzeuge, denn alles dies ist um des Endzweckes willen und unterscheidet sich nur, insoweit das eine Wirkungen das andere Werkzeuge sind. Ohngefähr also nun in so [69] vielen Bedeutungen wird »Ursache« gesagt. Es ergibt sich aber, da die Ursachen in mehreren Bedeutungen genommen werden, daß auch Mehreres zugleich die Ursache ein und desselben ist, und zwar nicht bloß je nach Vorkommnis; wie z.B. von der Statue ist sowohl die statuenbildende Kunst als auch das Erz Ursache, und zwar nicht in irgendeiner anderen Beziehung, sondern gerade insofern es eine Statue ist, aber nur nicht beides in gleicher Weise, sondern das eine als Stoff, das andere aber als dasjenige, wovon die Bewegung ausgeht. Einiges auch ist wechselseitig voneinander die Ursache, wie z.B. das Arbeiten Ursache des Wohlverhaltens und dieses Ursache des Arbeitens, aber nur nicht beides in gleicher Weise, sondern das eine als Endzweck, das andere als Ursache der Bewegung. Ferner ist ein und dasselbe Ursache des Entgegengesetzten, denn was durch seine Anwesenheit Ursache dieses bestimmten Dinges ist, das geben wir zuweilen bei seiner Abwesenheit als Ursache des Entgegengesetzten an, wie z.B. die Abwesenheit des Steuermannes als Ursache des Umschlagens des Fahrzeuges, während die Anwesenheit desselben Ursache der Unversehrtheit des Fahrzeuges war. – Die gesamten soeben angegebenen Ursachen aber fallen unter vier Klassen als die augenfälligsten: nämlich wenn die Buchstaben Ursache der Silben sind und der Stoff Ursache des aus ihm zubereiteten, und das Feuer und dergleichen Ursache der Körper, und die Teile Ursache des Ganzen, und die Prämissen Ursache des Schlußsatzes, so ist da überall Ursache als dasjenige, woraus etwas wird, zu nehmen; hierbei aber eben ist Eines Ursache als das Zugrundeliegende, wie z.B. die Teile, und Eines ist Ursache als das wesentliche Sein, nämlich das Ganze und die Zusammenfügung und die Form; – hingegen der Samen und der Arzt und der Ratgeber und überhaupt das Bewirkende, dies sämtlich ist Ursache als dasjenige, woher der Anfang der Veränderung oder des Stillstandes oder der Bewegung ausgeht; – endlich wieder anderes ist Ursache als der Endzweck des übrigen und dessen Gutes, denn dasjenige, um dessen willen etwas wird, will das Beste und der Endzweck des übrigen sein (dabei aber möge es keinen Unterschied machen, ob wir von einer »Idee« des Guten oder von dem erscheinenden Guten sprechen). Diese also und der Art nach so viele sind die Ursachen. – Die Auffassungsweisen aber der Ursachen sind der Zahl nach zwar viele, bringt man sie aber unter [71] die hauptsächlicheren, so sind auch sie wenigere. Es wird nämlich »Ursache« in vielen Bedeutungen gesagt, und zwar selbst von den Ursachen gleicher Art die eine in ursprünglicherem oder abgeleiteterem Sinne als die andere, wie z.B. als Ursache der Gesundheit der Arzt und der Künstler, und als Ursache der Oktave das Doppelte und die Zahl, und so immer die umfassenderen Oberarten in Vergleich mit dem einzelneren; ferner auch wird Ursache in dem Sinne des bloß je Vorkommenden oder seiner höheren Gattungen genommen, wie z.B. Ursache der Statue ist in anderem Sinne Polykleitos und in anderem der Statuenverfertiger, weil es für den Statuenverfertiger nur ein je Vorkommendes ist, daß er eben Polykleitos ist, und so wieder die umfassenderen Oberarten des je Vorkommenden, wie z.B. wenn man sagte, der Mensch, oder |
[195b gleich allgemein ein lebendes Wesen, sei Ursache der Statue; aber auch von dem bloß je Vorkommenden liegt das eine entfernter oder näher als das andere, wie z.B. wenn der Weiße, und wenn der Gebildete Ursache der Statue genannt würde. Alle Ursache aber, sowohl die in eigentlichem Sinne genommene als auch die in dem Sinne des bloß je Vorkommenden, wird wieder teils als potentiell, teils als aktuell genommen, wie z.B. Ursache der Erbauung eines Hauses ist entweder der Häuser-Bauer überhaupt oder der eben ein Haus bauende Häuser-Bauer. Auf gleiche Weise aber mit dem eben Gesagten kann es auch bei den Dingen, deren Ursachen die Ursachen sind, genommen werden, wie z.B. die Ursache entweder dieser bestimmten Statue oder einer Statue überhaupt oder gleich allgemein einer bildlichen Darstellung, und Ursache dieses bestimmten Erzes oder des Erzes überhaupt oder gleich allgemein des Stoffes; und ebenso bei dem bloß je Vorkommenden. Ferner kann auch jedes von diesen beiden, nämlich sowohl dies soeben Bemerkte als auch jenes vorhin gesagte, in einer Verbindung mehrerer genommen werden, wie z.B. wenn man bei dem obigen nicht »Polykleitos« allein und nicht »Statuenverfertiger« allein sagt, sondern »Polykleitos der Statuenverfertiger«. Aber doch ist alles dieses der Zahl nach nur sechserlei, jedes aber dabei in doppelter Bedeutung: nämlich entweder ist es das einzelnere, oder es ist die höhere Gattung, oder es ist als das bloß je Vorkommende genommen, oder als die höhere Gattung des je Vorkommenden, oder in einer Verbindung mehrerer, oder jedes einfach für sich genommen, und dann [73] alles dieses wieder entweder in aktuellem oder in potentiellem Sinne genommen. Dabei aber ist der Unterschied, daß das aktuelle und einzelnere immer zugleich mit demjenigen, dessen Ursache es ist, existiert und nicht existiert, wie z.B. dieser bestimmte soeben heilende Arzt ist zugleich mit diesem bestimmten Genesenden, und dieser bestimmte eben ein Haus bauende ist zugleich mit diesem bestimmten im Baue begriffenen Hause; bei dem potentiellen hingegen ist dies nicht immer der Fall, denn das Haus und der Erbauer vergehen nicht zugleich; (aber man muß von einem jeden wie auch bei allem Übrigen, die äußerste Ursache suchen, wie z.B. der Mensch erbaut ein Haus, weil er Häuser-Bauer ist, der Häuser-Bauer aber ist es infolge der Haus-Baukunst; dies also ist die ursprünglichere Ursache; und so bei allem); ferner sind die höheren Gattungen Ursachen der höheren Gattungen, hingegen das einzelnere Ursache des einzelneren, wie z.B. Statuenverfertiger überhaupt ist Ursache der Statue überhaupt, hingegen dieser bestimmte ist Ursache dieser bestimmten; und das potentielle ist Ursache des Möglichen, hingegen das aktuelle ist Ursache in bezug auf das wirklich ins Werk Gesetzte. – Wie viele Ursachen also und nach welcher Auffassungsweise Ursachen seien, das möge nun von uns hinreichend festgestellt sein.
4. Man sagt aber, auch der Zufall und das grundlos von selbst Eintretende gehöre zu den Ursachen, und vieles sei und werde durch Zufall und durch das grundlos von selbst Eintretende; nach welcher Auffassungsweise nun der Zufall und das grundlos von selbst Eintretende unter die obigen Ursachen gehöre, und ob dieselben das nämliche oder voneinander verschieden seien, und überhaupt was jedes von beiden sei, ist zu erwägen. Einige nämlich erheben die Schwierigkeit, ob solches überhaupt existiere oder nicht, |
[196a] denn sie sagen, Nichts werde durch Zufall, sondern eine bestimmte Ursache gebe es von allem demjenigen, von welchem wir sagen, daß es grundlos von selbst eintretend oder durch Zufall entstehe, wie z.B. daß jemand zufällig auf den Markt geht und dort jemanden trifft, welchen er zwar treffen wollte, dort aber zu treffen nicht vermeinte, davon sei die Ursache sein Wille auszugehen um auf dem Markte sich aufzuhalten; und ebenso auch bei dem übrigen, was man zufällig nennt, könne immer etwas als die Ursache erfaßt werden, nicht aber der Zufall, da ja, wenn es den Zufall gäbe, [75] dies in Wahrheit als ungereimt sich zeigen würde, und man auch in die Schwierigkeit geriete, warum denn keiner der früheren Philosophen bei der Angabe der Ursachen des Entstehens und Vergehens irgend etwas über den Zufall feststellte, sondern, wie es scheint, auch jene gar nicht glaubten, daß irgend etwas zufällig sei. Aber auch dies wieder ist wunderbar; denn vieles wird und ist zufällig und grundlos von selbst eintretend, und daher nennen alle, wohlwissend, daß man ein jedes von dem, was geschieht, auf irgendeine Ursache zurückführen kann (wie der alte Spruch sagte, welcher den Zufall aufhebt), dennoch das eine zufällig, anderes nicht zufällig. Darum hätten auch jene wenigstens in irgendeiner Weise davon Erwähnung machen sollen; aber allerdings glaubten sie auch nicht, daß der Zufall irgendeines von jenen Prinzipien sei, wie z.B. die Liebe oder der Streit oder der Verstand oder das Feuer oder sonst etwas dergleichen. Ungereimt also ist es, sowohl wenn sie annahmen, der Zufall existiere nicht, als auch wenn sie bei der Meinung, er existiere, ihn übergingen, noch dazu da sie ihn bisweilen doch anwendeten, wie wenn Empedokles sagt, »nicht immer sichte sich die Luft in den obersten Raum hin ab, sondern wie es sich eben zufällig treffe«; wenigstens sagt er in seiner Weltbildung: »wie es im Laufe damals so zusammengeriet, oft aber anders«, und auch von den Teilen der Tiere sagt er, daß die meisten zufällig entstehen. Es gibt aber einige, welche das grundlos von selbst Eintretende als Ursache auch des Himmelsgebäudes und des gesamten Kosmischen angeben, nämlich grundlos von selbst trete der Wirbel und jene Bewegung ein, welche die Auseinandersichtung bewirkte und das All zu der bestehenden Ordnung herstellte. Und dies nun ist wieder sehr wundersam; denn während sie sagen, daß die Tiere und die Pflanzen weder zufällig existieren noch zufällig entstehen, sondern davon entweder die Natur oder der Verstand oder etwas anderes der Art die Ursache sei (denn nicht, was sich eben zufällig trifft, wird aus einem jeden Samen, sondern aus einem so beschaffenen ein Ölbaum und einem anders beschaffenen ein Mensch), sagen sie, daß der Himmel und das göttlichste unter den augenfälligen Dingen durch das grundlos von selbst Eintretende entstehe, und dies keine derartige Ursache sei wie die der Tiere und Pflanzen. Jedoch ob es sich so verhalte, das ist eben der Beachtung wert, und es ist gut, daß |
[196b] hierüber etwas gesagt werde, denn außer [77] dem daß jener Ausspruch auch in anderer Beziehung ungereimt ist, ist es noch ungereimter, solches auszusprechen, während man doch sieht, daß an dem Himmel nichts grundlos von selbst entsteht, in dem Umkreise hingegen des (nach jener Ansicht) Nicht-Zufälligen vieles durch Zufall sich ergibt; und doch sollte man erwarten, daß das Gegenteil der Fall wäre. – Einigen aber scheint der Zufall zwar eine Ursache zu sein, aber eine der menschlichen Denktätigkeit unklare, da er nämlich etwas göttliches und mehr übernatürliches sei. – Demnach ist nun zu erwägen, was das grundlos von selbst Eintretende und was der Zufall sei, und ob dieselben das nämliche oder voneinander verschieden seien, und wie sie unter die oben festgestellten Ursachen fallen.
5. Erstens nun, da wir sehen, daß einiges immer, anderes wenigstens meistenteils, in der nämlichen Weise geschieht, so ist augenfällig, daß der Zufall oder das Zufällige als Ursache von keinem dieser beiden (weder von dem notwendig und immer Geschehenden, noch von dem meistenteils Geschehenden) genommen wird; aber da es auch etwas gibt, was im Widerspruch mit diesem beiden geschieht, und von solchem alle sagen, es sei zufällig, so ist augenfällig, daß der Zufall und das grundlos von selbst Eintretende irgend etwas sind, denn wir wissen sowohl, daß das derartige zufällig sei, als auch daß das Zufällige eben derartig sei. Von allem aber, was geschieht, geschieht das eine um eines Zweckes willen, das andere nicht um eines Zweckes willen; von dem eben Genannten aber geschieht das eine in bezug auf eine Vornahme, das andere nicht in bezug auf eine Vornahme, beides aber gehört zu dem um eines Zweckes willen Geschehenden; demnach ist klar, daß es auch unter demjenigen, was im Widerspruch mit dem notwendig oder meistenteils Geschehenden geschieht, einiges gibt, bei welchem das um eines Zweckes willen Geschehen sich finden kann; um eines Zweckes willen aber ist sowohl alles, was durch die Denktätigkeit als auch alles, was durch die Natur vollbracht wird. Wann also nun derartiges bloß je nach Vorkommnis geschieht, so sagen wir, es sei zufällig; nämlich sowie bei dem Seienden das eine an und für sich, das andere bloß je nach Vorkommnis ist, so kann dies auch bei der Ursache der Fall sein, wie z.B. an einem Hause ist an und für sich Ursache das Haus-bauerische, bloß je nach Vorkommnis Ursache aber ist das Weiße oder das Gebildete; das|jenige [79] nun, was an und für sich Ursache ist, ist fest bestimmt, was aber bloß je nach Vorkommnis, das ist unbestimmbar, denn unbegrenzt vieles könnte an dem Einen vorkommen. Also, wie gesagt, wann bei dem um eines Zweckes willen Geschehenden dies der Fall ist, so nennt man dies ein grundlos von selbst Eintretendes und ein Zufälliges; der gegenseitige Unterschied dieser beiden aber ist hernach [Kap. 6] festzustellen; für jetzt mag so viel augenfällig sein, daß beide zu dem um eines Zweckes willen Geschehenden gehören, wie z.B.: er wäre um des Einkassierens des Geldes willen gekommen, in der Absicht, den Beitrag beizutreiben, wenn er es gewußt hätte; nun aber kam er wohl, aber nicht um dieses Zweckes willen, sondern das, daß er kam und dies um des Beitreibens willen tat, war für ihn nur eben ein Vorkommnis; und zwar auch der Art, daß er weder meistenteils |
[197a] noch notwendig jenen Ort frequentierte; der Endzweck aber, nämlich das Beitreiben, ist nicht eine von den Ursachen, welche in dem eigenen Sein dessen, der kommt, liegen, sondern er gehört zu demjenigen, was Sache einer Vornahme ist und durch Denktätigkeit geschieht; – und da dann sagt man, er sei zufällig gekommen; falls er aber es sich vornahm und um dieses Zweckes willen kam, oder um beizutreiben immer oder meistenteils den Ort frequentierte, so ist er nicht zufällig gekommen. Also ist klar, daß der Zufall folgendes ist: eine bloß je nach Vorkommnis seiende Ursache bei demjenigen, was unter dem um eines Zweckes willen Geschehenden in bezug auf eine Vornahme geschieht; – darum sind auch Denktätigkeit und Zufall immer bei dem nämlichen Ereignisse beisammen, denn Vornahme ist nicht ohne Denktätigkeit. – Daß nun die Ursachen, durch welche das Zufällige geschieht, unbestimmbar sind, ist ganz notwendig, und daher scheint auch der Zufall ein unbestimmbares Ding und dem Menschen unklar zu sein, und andrerseits könnte es scheinen, daß nichts zufällig geschehe; denn alle diese Aussprüche sind richtig, weil sie ihren guten Grund haben. Nämlich einerseits ist es der Fall, daß etwas zufällig geschieht, denn es geschieht ja je nach Vorkommnis, und der Zufall ist Ursache je nach Vorkommnis, andrerseits hingegen schlechthin an und für sich ist er von nichts die Ursache, wie z.B. von einem Hause ist ein Haus-Bauer Ursache, je nach Vorkommnis aber ein Flötenspieler, und davon, daß jemand kommt und Geld beitreibt, während er nicht um dieses Zweckes willen ge|kommen [81] ist, kann unendlich vieles die Ursache sein, denn er konnte jemanden besuchen wollen oder jemanden gerichtlich verfolgen oder selbst gerichtlich verfolgt sein. Und auch das ist richtig, wenn man sagt, der Zufall sei etwas Widervernünftiges, denn die vernünftige Begründung betrifft das immer oder meistenteils Seiende, der Zufall aber gehört zu demjenigen, was im Widerspruche mit diesem geschieht; demnach ist, da die auf solche Weise wirkenden Ursachen unbestimmbar sind, der Zufall ebenfalls ein unbestimmbares; (dennoch aber könnte man bei einigem die Schwierigkeit erheben, ob denn wirklich das zufällig nächste Beste Ursache des Zufalles werden könne, wie z.B. ob Ursache der Gesundheit entweder eine Luftströmung oder ein Sonnenschein sei, und nicht das vorhergegangene Abschneiden der Haare; nämlich von den bloß je nach Vorkommnis seienden Ursachen liegen auch wieder die einen näher als die anderen). Den Ausdruck »guter Zufall« aber gebraucht man, wann etwas Gutes sich ergeben hat, und »schlimmer Zufall«, wann etwas Schlimmes, hingegen »Glücksfall« und »Unglücksfall«, wann solches eine bedeutende Größe hat; darum ist es auch schon ein Unglücklichsein oder ein Glücklichsein, wenn jemanden beinahe ein großes Übel oder beinahe ein großes Gut widerfahren wäre, weil die Denktätigkeit solches als bereits vorhanden ausspricht, denn das »beinahe« scheint gleichsam gar nicht mehr entfernt zu sein. Ferner ist das Glück aus gutem Grunde etwas Unzuverlässiges, denn der Zufall ist unzuverlässig, weil nichts von dem Zufälligen weder immer noch meistenteils existieren kann. – Also beides, sowohl der Zufall als auch das grundlos von selbst Eintretende, sind – wie gesagt – je nach Vorkommnis seiende Ursachen bei demjenigen, was die Möglichkeit des Geschehens nicht schlechthin an und für sich, und nicht meistenteils hat, und zwar unter diesem bei dem, was um eines Zweckes willen geschieht.