Berufsethos und Verantwortung

Unter einem „Berufsethos“ können wir Regeln und Normen verstehen, die für eine bestimmte Berufsgruppe verbindliche Geltung beanspruchen und zumeist auf eine lange Tradition zurückblicken können. Diese Normen spezifizieren die konkrete Berufspraxis und -situation in einem noch näheren Sinne, als es Gesetze tun können. Einige Verbote, die durch das Berufsethos formuliert werden, stimmen mit unserem Rechtssystem überein, andere sind nicht strafrechtlich relevant. Dies hängt davon ab, wie eng oder weit man das Berufsethos fasst. Grundsätzlich geht es im Berufsethos um die berufsspezifische Verantwortung, wie etwa dem Arztberuf, mit Blick auf andere Menschen. In einem weiteren Sinne kann man unter einem Berufsethos auch Gepflogenheiten verstehen, die zur (traditionellen) Qualitätssicherung einer beruflichen Praxis und eines Berufsstandes dienen, jedoch nicht zwingend vorgeschrieben sind.

Der „Eid des Hippokrates“ (ca. 460 bis 370 v. Chr.), eines antiken griechischen Arztes, dar als eines der ältesten Zeugnisse eines Berufsethos gelten. Obwohl einige Passagen dieses Ethos nicht mehr zeitgemäß sind und nur aus ihrem historisch-kulturellen Kontext heraus zu verstehen sind, enthält es doch noch sehr zentrale Punkte. Zum einen versichert der Arzt mit diesem Eid, dass er seine Verordnungen „zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil“ treffen wird und seine Patienten „vor Schaden und willkürlichem Unrecht“ bewahren wird. Auch versichert der Arzt, dass er nur diejenigen Operationen durchführen wird, die in seinen Kompetenzbereich fallen. Besonders zentral ist außerdem eine Passage, in der der Arzt sein Verhältnis zu seinen Patienten verantwortlich gestaltet: „Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechtes und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.“ Ferner betont der Eid des Hippokrates den Datenschutz gegenüber den Patientinnen und Patienten: „Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.“

Gerade auch durch die Entwicklung neuerer Wissenschaften und Techniken, wie etwa der Gentechnik, rückt das Thema „Verantwortung“ zunehmend ins Zentrum der Gesellschaft. Gentechnologie hat, wie alle Technologien, zwei Seiten. Zum einen trägt sie zum Nutzen der Menschheit bei, indem etwa Erbkrankheiten erkannt und geheilt werden können. In einer übersteigerten Form kann diese Technik aber auch zur Manipulation und Kontrolle von Menschen eingesetzt werden, die ihrer Würde widerspricht. Gerade aufgrund der großen Bedeutung der Gentechnik rückt das Problem des verantwortungsvollen Umgangs ins Zentrum. Wie genau Gentechnik eingesetzt werden kann und soll, sind zwei ganz verschiedene Fragen. Darf die Wissenschaft alles tun, was sie durch ihre technischen Fortschritte auch kann, etwa Mischwesen zwischen Mensch und Tier erzeugen? Ethische Fragen wie diese lassen sich oft nicht eindeutig beantworten, sondern bedürfen verschiedener Pro- und Contra-Argumente, die in einem großen Kreis von Expertinnen und Experten ganz unterschiedlicher Disziplinen diskutiert werden müssen. In Deutschland existiert dafür etwa der „Deutsche Ethikrat“, der sich selbst folgendermaßen charakterisiert: „Der Deutsche Ethikrat beschäftigt sich mit den großen Fragen des Lebens. Mit seinen Stellungnahmen und Empfehlungen gibt er Orientierung für die Gesellschaft und die Politik. Die Mitglieder werden vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ernannt. Der Deutsche Ethikrat hat sich am 11. April 2008 auf der Grundlage des Ethikratgesetzes konstituiert und die Nachfolge des im Jahr 2001 von der Bundesregierung eingerichteten Nationalen Ethikrates angetreten. Bislang hat der Deutsche Ethikrat 22 umfangreiche Stellungnahmen erarbeitet, unter anderem zu den Themen Anonyme Kindesabgabe, Intersexualität, Präimplantationsdiagnostik, Gendiagnostik, Patientenwohl und Big Data. Er hat sich damit als Impulsgeber für die Beratung der Politik aber auch der breiten Öffentlichkeit etabliert.“