Zusammenfassung, 8. Sitzung, 5.12.2018: Schopenhauers Begriff des Grundes

Schopenhauer versucht in seiner Schrift Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, Kants Kausalitätsbegriff noch tiefer zu fassen. Er bestimmt diesen Satz folgendermaßen: „Nihil est sine ratione cur potius sit quam non sit. Nichts ist ohne Grund warum es sey.“ (III,7) Nun lässt sich der Satz vom Grunde jedoch nicht beweisen. Ein solches Unternehmen wäre zirkulär, denn es würde bedeuten, dabei selbst wieder den Satz des zureichenden Grundes vorauszusetzen: Die Frage nach dem Grund des Satzes vom Grunde verlangt schon die Gültigkeit dieses Satzes. Deswegen gehört dieser Satz zu den „Bedingungen alles Denkens und Erkennens“, „aus deren Anwendung alles Denken und Erkennen besteht, so daß Gewißheit nichts ist als Uebereinstimmung mit ihnen, folglich ihre eigne Gewißheit nicht wieder aus andern Sätzen erhellen kann.“ (III,15) Schopenhauer argumentiert dafür, dass der Satz des Grundes nicht durch das Prinzip der kausalen Geschlossenheit erschöpfend erklärt werden kann. Wirkursächlichkeit ist nur eine von vier Klassen (oder Arten) des Gattungsbegriffs des allgemeinen Satzes vom zureichenden Grund. Daneben führt Schopenhauer Sätze der Geometrie an, wie etwa, dass, „weil die Winkel gleich sind, auch die Seiten gleich seyn müssen“ (III, 16) Dieses Verhältnis von Winkel und Seitenlänge ist nach Schopenhauer weder kausal noch logisch-analytisch zu verstehen, „denn im Begriff von Gleichheit der Winkel liegt nicht der von Gleichheit der Seiten“ (III, 17). Ein weiterer Fall des Satzes vom Grunde ist eine bestimmte motivierte Handlung, die nach Schopenhauer ebenfalls weder rein kausal noch logisch beschrieben werden kann. Folgende vier Wurzeln des Satzes vom zureichenden Grunde und ihre epistemischen Vermögen unterscheidet Schopenhauer:

(1) In unserm Verstande liegt der Satz vom Grunde des Werdens als Gesetz der Kausalität;
(2) in unsrer Vernunft, als dem Vermögen der Schlüsse, der Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens;
(3) in unsrer reinen Sinnlichkeit der Satz vom Grunde des Seyns;
(4) und endlich den Willen leitet das Gesetz der Motivation. (III,89 f.)