Zusammenfassung: Hegel über Gut und Böse

Anders als die bisherigen Denker der Geschichte der Philosophie behandelt Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) das Böse weniger aus der Perspektive des Willens einer individuellen Person, sondern aus der Logik der Begriffe heraus. Begriffe sind nach Hegel nichts Abstraktes, sondern konkret auf die Wirklichkeit bezogen. Hegel bestimmt wie Kant und Fichte das Böse als eine Form von Schein. Er erblickt das Böse in der „sich auf ihre Spitze stellende reine Gewißheit seiner selbst“ (10:16), d.h. in der selbstbezogenen Abgrenzung vom Allgemeinen, die einen individuellen Maßstab für den objektiven Maßstab ausgibt. Damit ist das Böse eng mit dem subjektiven Gewissen verwandt. Das Gewissen „ist der Wille des Guten, welches aber in dieser reinen Subjektivität das nicht Objektive, nicht Allgemeine, das Unsagbare ist und über welches das Subjekt sich in seiner Einzelheit entscheidend weiß“. Das Böse „ist dieses selbe Wissen seiner Einzelheit als des Entscheidenden [wie im Gewissen; J.N.], insofern sie nicht in dieser Abstraktion bleibt, sondern gegen das Gute sich den Inhalt eines subjektiven Interesses gibt.“ Das Böse ist die „höchste Spitze des Phänomens des Willens, der bis zu dieser absoluten Eitelkeit – einem nicht-objektiven, sondern nur seiner selbst gewissen Gutsein und einer Gewißheit seiner selbst in der Nichtigkeit des Allgemeinen – verflüchtigt ist“. Es ist „die innerste Reflexion der Subjektivität in sich gegen das Objektive und Allgemeine, das ihr nur Schein ist“. Darin zeigt sich, dass das Böse nichts bloß Passives ist, sondern eine Aktivität besitzt, sich gegen das Allgemeine durch Reflexion zu wenden. Diese Reflexion ist aber bloßer Schein, so dass das Böse „das ganz abstrakte Scheinen“ ist. Solcher Schein kann etwa dadurch produziert werden, dass man der Ansicht ist, dass es nur genüge, irgend einen guten Grund für eine Handlung zu suchen. Hegel bezeichnet diese Position als „Probabilismus“: „Er macht zum Prinzip, daß eine Handlung, für die das Bewußtsein irgendeinen guten Grund aufzutreiben weiß […], erlaubt ist und daß das Gewissen darüber sicher sein kann.“ In seiner stärksten Ausprägung erscheint das Böse als „sich als das Absolute behauptende[] Subjektivität“. Darin verkehrt das Böse die Ordnung des Guten und Bösen. Das Gute ist dagegen nach Hegel gerade nicht abstrakt, sondern im höchsten Sinne konkret. Es ist „das Wesen des Willens in seiner Substantialität und Allgemeinheit – der Wille in seiner Wahrheit“.