Zusammenfassung: Kants Theorie moralischer Motivation

Im Gegensatz zur empiristischen Tradition moralischer Motivation bei Hutcheson, Hume und Smith argumentiert Kant, dass die Vernunft selbst Grund normativer Bewertung ist und insofern auch mit Gefühlen in eine systematische Verbindung treten kann. Als ein endliches Wesen, „dessen Vernunft nicht schon vermöge seiner Natur dem objectiven Gesetze nothwendig gemäß ist“, benötigt der Mensch zum moralischen Handeln eine „Triebfeder des menschlichen Willens“, die im Sittengesetz fundiert ist. Kant unterscheidet zwischen einer Handlung, die nur pflichtgemäß erfolgt und einer Handlung, die aus Pflicht vollzogen wird. Bloß pflichtgemäße Handlungen enthalten „bloß den Buchstaben des Gesetzes“, ohne dabei den „Geist“ des Sittengesetzes, d.h. die angemessene moralische Motivation zum Grunde zu haben. Kant argumentiert, dass moralische Motivation darin besteht, dass mögliche andere Motivationsgründe, die nicht im Sittengesetz fundiert sind, wie etwa Gefühle und Neigungen, abgewiesen werden. Denn Neigungen und Lust sowie Unlust haben nach Kant ihren Grund in der individuellen Glückseligkeit, der Selbstliebe und Selbstsucht. Im Gegensatz zu Hume spricht also Kant von einem „Kampf“ zwischen der Vernunft und den Affekten. Während die praktische Vernunft nach Kant die Eigenliebe nur an die Bedingungen der Sittlichkeit ausrichtet, so dass sie zu einer Art „vernünftigen Selbstliebe“ wird, so „schlägt“ sie den Eigendünkel „nieder“, also die Auffassung, dass wir uns in unserem Handeln nicht nach den Geboten des Sittengesetzes richten müssten, sondern die Selbstliebe, „wenn sie sich gesetzgebend und zum unbedingten praktischen Princip macht“. Kant beschreibt die Wirkung der praktischen Vernunft auf unsere Gefühle so, dass sie doppeldeutig ist. Indem wir uns durch den absoluten Anspruch der Moral aus individueller Hinsicht gedemütigt und eingeschränkt fühlen, fühlen wir uns als vernünftige Wesen erhaben. Dieses Gefühl der moralischen Erhabenheit bezeichnet Kant als Gefühl der Achtung, das „durch einen intellectuellen Grund gewirkt“ ist. Es ist als moralisches Gefühl „das einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Nothwendigkeit wir einsehen können.“ Kant beschreibt das moralische Gefühl der Achtung nicht als Triebfeder unabhängig vom Sittengesetz, sondern als „die Sittlichkeit selbst, subjectiv als Triebfeder betrachtet“. Wir empfinden dann das Gefühl der Achtung, wenn unsere empirische Individualität als „Hinderniß der praktischen Vernunft“ durch das Sittengesetz entfernt wurde, wobei „die Wegräumung eines Hindernisses einer positiven Beförderung der Causalität gleichgeschätzt wird“. Die Vernunft ist also nach Kant sowohl der Erkenntnisgrund der Moralität wie auch der Motivationsgrund.