Praktische Philosophie (von gr. prâxis = Handlung) betrifft die Bedingungen, Voraussetzungen, Normen, Gründe und Probleme unseres Handelns im weitesten Sinne. In der Philosophie ist jedoch umstritten, welche Ereignisse oder Prozesse als Handlungen gelten dürfen. Die deutsch-amerikanische Philosophin und Politikwissenschaftlerin Hannah Arendt (1906-1975) etwa vertritt in ihrem 1958 erschienenen Buch „Vita activa“ (= das ‚aktive‘ Leben im Gegensatz zur „vita contemplativa“ als dem bloß betrachtenden und denkenden Leben) die These, dass wir Handeln im strengen Sinne von bloßem, überlebensnotwendigen und existenziellen Arbeiten und von künstlerischem, kulturellem Herstellen (gr. poíesis = das (künstliche) Hervorbringen) unterscheiden müssen. Eine Handlung ist nach Arendt dadurch ausgezeichnet, dass sie sich direkt zwischen Menschen ereignet – also Interaktion ist – und kein Material bzw. Medium dafür benötigt (etwa die Natur oder Kunstwerke). Handeln spielt sich nicht zwischen Objekten, sondern zwischen Subjekten, genauer: Personen ab. Für diese Unterscheidung sprechen einige Gründe. Denn in der Regel wird Handeln als etwas aufgefasst, für das wir Verantwortung tragen, und Verantwortung spielt sich zwischen Menschen ab (hier stellt sich freilich die Frage, ob und inwiefern wir auch Verantwortung gegenüber der Natur und nichtmenschlichen Tieren haben). Allerdings gibt es nicht nur Handlungen, die mit unseren Händen ausgeführt werden, sondern auch sogenannte Sprachhandlungen bzw. Sprechakte. Wir können auch etwas tun, indem wir etwas Befehlen oder etwas Versprechen, d.h. indem wir in unserem Sprechen verbindliche intersubjektive Bedingungen eingehen.
Wenn praktische Philosophie das Handeln im weitesten Sinne reflektiert, dann muss sie auch auf dasjenige reflektieren, was das Subjekt der Handlung ist. Subjekte von Handlungen sind Personen. Personen können wir insofern als zurechenbare, individuelle Subjekte von Handlungen bezeichnen. Eine philosophische Frage betrifft die Möglichkeit von kollektiven Personen, also Personenverbünden bzw. „juristischen Personen“ wie Vereinen. Inwiefern kann ein Verein handeln? Damit Personen für ihre Handlungen verantwortlich sind, müssen sie Gründe für ihre Handlungen geben können. Gründe sind die Antwort auf die Frage, warum jemand etwas getan hat. Jemand, der auf die Frage, warum er etwas getan hat, mit einem lapidaren „darum“ antwortet, handelt bloß willkürlich, aber nicht im eigentlichen Sinne (ursprünglich bedeutete jedoch das Wort „Willkür“ soviel wie die „Wahl des Willens“, also durchaus eine begründete Entscheidung; wir erkennen dies immer noch an dem Wort „unwillkürlich“, was bedeutet, dass etwas nicht aus freier Entscheidung, sondern als bloßer Reflex geschehen ist). Wir erwarten, dass jemand uns eine Geschichte erzählen kann, die die Gründe und Motive enthält, die schließlich zur Handlung geführt haben. Obwohl Gründe kausal wirksam sind und uns zu einer Handlung motivieren bzw. geneigt machen (inklinieren), sind sie von bloßen Naturursachen verschieden. Gründe sind immer personaler Natur, d.h. sie haben nur Bedeutung vor dem Hintergrund personaler Interessen. Einer Handlung muss ein Wille zugrunde liegen, d.h. ein handlungswirksames Wollen. Der Wille ist von bloßen Wünschen verschieden, die sich sogar oft widersprechen. Handlungen zeichnen sich vor anderen Ereignissen und Prozessen dadurch aus, dass sie von einem Subjekt mental verursacht werden, und dass sie intentional auf ein Ziel ausgerichtet sind. Insofern sie einen Zweck verfolgen, sind sie rational verständlich. Der Wille ist das Vermögen einer Person, sich selbst Ziele zu setzen und diese auf rationale Weise zu verfolgen. Damit unterscheidet sich der Wille von bloßer Willkür. Praktische Vernunft ist das Vermögen der Person, Gründe für Handlungen hervorzubringen, abzuwägen und zu verstehen. Wir können zwischen moralischer und bloß instrumenteller praktischer Vernunft bzw. Klugheit unterscheiden. Moralische praktische Vernunft berücksichtigt Gründe, die an objektiven moralischen Normen orientiert sind und nicht an individuellen Zwecken. Instrumentelle Vernunft hingegen reflektiert auf Gründe, die Mittel zu einem bestimmten Zweck betreffen. So kann eine Person, die Böses im Schilde führt, sehr wohl auch ihre instrumentelle Vernunft dazu verwenden, um nach geeigneten Mitteln zu suchen, ein unschuldiges Opfer zu töten. Hier stellt sich die Frage, was uns zu unseren (moralischen und unmoralischen) Handlungen motiviert. Infrage kommen dafür kognitive Gründe, aber auch bestimmte moralische Gefühle bzw. Emotionen wie Achtung und Mitleid. Unsere Vernunft scheint oft nicht stark genug zu sein, um uns aus bloßen Überlegungen heraus zu einer Handlung zu motivieren. Deswegen wird immer wieder auf die Bedeutung von Emotionen hingewiesen. Handeln vollzieht sich immer vor dem Hintergrund von Gesetzen, die entweder bloß individuelle oder absolute Bedeutung haben können. Kant spricht mit Blick auf individuelle Grundsätze, die unsere Handlungen leiten, von sogenannten „Maximen“. Dagegen spricht er vom moralischen Gesetz oder auch Sittengesetz, das unser Handeln mit absolutem Geltungsanspruch bestimmt. Das, was festlegt, wie wir nicht nur handeln können, sondern wie wir handeln sollen, nennt man Normativität. Häufig tritt Normativität in moralischer Hinsicht zutage, etwa in Kants „kategorischem Imperativ“, der im Gegensatz zu hypothetischen Imperativen, die instrumenteller Vernunft folgen, absolute Geltung beansprucht. Ein Beispiel für den kategorischen Imperativ ist Kants absolutes Lügenverbot. Wir sollen nach Kant unter keinen Umständen (also kategorisch) lügen, selbst dann, wenn wir damit ein unschuldiges Opfer retten könnten. Hier stellt sich nun die Frage, wie wir moralische Normativität in ihrem kategorischen Anspruch begründen können, und wie sich das deskriptive Sein zum normativen Sollen verhält. Können wir die Bedeutung des Wortes „gut“ durch natürliche Eigenschaften wie „angenehm“ vollständig erklären? Ebenso stellt sich die Frage, wie sich das Gute zum Bösen verhält. Ist das Böse das gerade Gegenteil des Guten oder nur ein Mangel desselben? Wir handeln nicht immer im strengen Sinne rational, sondern täuschen und belügen uns auch oft über unsere eigentlichen Gründe. Was aber sind die Gründe für unsere Selbsttäuschung? Ebenso passiert es manchmal, dass wir keinen einheitlichen Willen formen können, sondern der Wille in sich zerrissen ist. Man spricht dann von „Willensschwäche“. Damit wir für unsere Handlungen verantwortlich sein können, müssen wir darin frei gewesen sein. Wir müssen uns aus Freiheit für unsere Handlung entschieden haben, nachdem wir verschiedene Gründe für oder dagegen abgewogen haben. Handlungsfreiheit bedeutet, dass wir tun können, was wir wollen. Eine Person in einem Gefängnis ist insofern nur bedingt handlungsfrei. Willensfreiheit dagegen bedeutet, dass wir unser Wollen selbst bestimmen können. Insofern ist Willensfreiheit grundsätzlicher als Handlungsfreiheit, denn diese hängt immer davon ab, was wir wollen. Angesichts der neueren Entwicklungen der Digitalisierung treten neuere Phänomene wie künstliche Intelligenz, Robotik und virtuelle Handlungsräume ins Zentrum. Hier stellt sich die Frage, ob und inwiefern Roboter handeln können, und ob und inwiefern wir auch virtuell handeln können.