Zusammenfassung Seminar „Theorien des Guten“ (2. Sitzung, 18.4.2018: Was bedeutet „gut“?)

Von Erich Kästner stammt der Spruch „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Dieser flapsige Satz erweist sich bei näherer Betrachtung als philosophisch herausfordernd. Denn gehört das Moment der konkreten Handlung in der Welt wirklich zum Begriff des Guten? Sicherlich dachte Kästner dabei an das moralisch Gute, hatte also einen engen Begriff davon, im Gegensatz zu weiteren Bedeutungen des Guten wie „angenehm“ und „wohltuend“. Kästner scheint mit diesem Satz Engagement einzufordern, es nicht bei Überlegungen oder Gefühlen zu belassen, sondern aktiv in das Weltgeschehen einzugreifen, um das Gute darin zu verwirklichen. Hier stellen sich aber bei genauerer Betrachtung weitere Fragen: Ist es nicht möglich, dass wir das moralisch Gute bereits in unserem Willen vorfinden, noch bevor wir zur Handlung schreiten? Zeigt sich Moralität nicht schon in unserer Empfänglichkeit für Mitleid und Nächstenliebe? Existiert also das moralisch Gute nicht bereits davor, wenn wir uns etwa Gedanken über das Gute machen, und dann zu einer bestimmten Erkenntnis über das Gute aus Gründen gelangen? Oder wenn wir eine bestimmte moralische Tugend entwickelt haben, die all unseren Handlungen zugrunde liegt? Besteht das moralisch Gute nicht bereits im Fühlen und Erkennen des Guten? Eine solche These hat in der Geschichte der Philosophie Immanuel Kant (1724-1804) vertreten. Dem entgegen steht die Position des Utilitarismus, wie sie von John Stuart Mill (1806-1873) vertreten wurde. Seiner Auffassung nach bemisst sich die moralische Güte an dem Nutzen einer Handlung, den dieser für die Gesellschaft bringt. Woran also erkennen wir das moralisch Gute? Lässt es sich überhaupt objektiv erkennen, oder ist es nicht relativ zu bestimmten Epochen und Kulturen? Und wie sollten wir eigentlich über das Gute sprechen? Besitzt „gut-sein“ denselben Status wie „grün-sein“? In der mittelalterlichen Philosophie wurde das Gute unter die sogenannten Transzendentalien wie das Wahre, das Eine und das Sein gezählt. Transzendentalien übersteigen wegen ihrer Allgemeinheit alle anderen Prädikate und lassen sich auf nichts Grundlegenderes zurückführen. Ist „gut“ ein solcher Grund-Begriff, oder lässt er sich nicht doch auf das Angenehme und Nützliche reduzieren? Besteht die Gefahr eines zu transzendental gefassten Guten am Ende gar darin, dass wir nie zu seiner Verwirklichung in der Welt kommen, so wie Erich Kästner es in seinem Motto gefordert hat?