Was ist moralische Motivation?

Die Frage nach moralischer Motivation kann in zweifachem Sinne verstanden werden:

  • Was motiviert uns zu moralischen Handlungen?
  • Was soll uns zu moralischen Handlungen motivieren?

Während (1) auf deskriptive Sachverhalte abzielt, zielt (2) auf normative Sachverhalte ab. Wir sehen, dass moralische Motivation nicht nur moralische Handlungen betrifft, sondern auch unseren Willen, der zu moralischen Handlungen führen soll und dazu moralisch bestimmt sein muss. Moralische Motivation findet zwischen unserem Willen und unserer Handlung statt. Es stellt sich dabei die Frage, wie genau unser Wille bestimmt sein muss, um aus sich heraus zu moralischen Handlungen zu führen. Damit steht moralische Motivation in einem engen Verhältnis zu unserer moralischen Autonomie, wenn wir davon ausgehen, dass moralische Motivation ein Selbstverhältnis und kein Fremdverhältnis darstellt. Zugrunde liegt moralischer Motivation das Problem, dass wir nicht immer schon moralisch handeln bzw. handeln wollen. Wir sind als endliche Wesen immer auch schon am Unmoralischen interessiert, oder zumindest zeitweise willensschwach, so dass wir das moralisch Gebotene nicht ausführen wollen oder können, selbst wenn wir erkennen, was moralisch geboten ist. Moralische Motivation bedeutet, dass unsere Erkenntnis des moralisch Gebotenen nicht als solche schon hinreichend dafür ist, dass wir moralisch handeln. Wir haben in uns nicht nur moralische Motive, sondern auch unmoralische Tendenzen. Moralische Motivation bedeutet insofern, dass darin immer auch ein Verhältnis zu unseren unmoralischen Tendenzen hergestellt werden muss. Moralische Motivation impliziert eine Kraft und Energie, die in metaphorischer Weise etwa von Kant als „Triebfeder“ charakterisiert wurde. Daneben ist moralische Motivation eng auf den Begriff des Motivs und des (Beweg-)Grundes bezogen. Wir sehen, dass sich moralische Motivation zwischen (i) rationaler Begründung („Rationalitätsanforderung“) und (ii) affektiver Bewegung („Bewegungsanforderung“) vollzieht, und darin besteht gerade die Spannung, in welchem sich das endliche moralische Subjekt befindet. Es gilt daher, einen Mittelweg zu finden, der vermeidet, (i) dass das moralische Subjekt nur ein theoretisches, nicht aber praktisches Interesse an einer Handlung nimmt oder durch ein unerreichbares abstraktes moralisches Gebot überfordert wird und (ii), dass das moralische Subjekt einer Kraft ausgesetzt ist, die es selbst nicht mehr kontrollieren kann.

Hinsichtlich der Frage nach möglichen Kandidaten für moralische Motivation kommen etwa folgende Phänomene in Frage:

  • Gründe
  • Vernunft/Bewusstsein
  • Konsequenzen
  • Gefühle (Empathie, Mitleid, Liebe, …)
  • Ideale
  • Tugenden

Es gilt, Kandidaten für moralische Motivation zu identifizieren, die gleichermaßen der Rationalitäts- und der Bewegungsanforderung gerecht werden.