Neid

Von allen Formen des Unmoralischen darf der Neid als eine der komplexesten gelten. Das Phänomen ist nicht schon dadurch charakterisiert, dass eine Person A gerne so wäre wie eine Person B oder gerne ein Gut C – sei es ein Wert, ein Gegenstand, eine Eigenschaft oder eine Fähigkeit – der Person B hätte, das sie selbst nicht besitzt. Vielmehr ist Neid mit einem Unlust- oder Schmerzgefühl für Person A verbunden, die sich hinsichtlich C mit B vergleicht und ihren Mangel als ungerechtfertigt und empörend empfindet. Aristoteles hat dies folgendermaßen beschrieben: „Ein leidenschaftliches Unlustgefühl ist nämlich allerdings auch der Neid, und zwar bezieht auch er sich auf das Glück eines anderen, aber nicht auf das eines Unwürdigen, sondern auf das eines, der nach Berechtigung und Stellung im Leben unsers Gleichen ist.“ (Rhetorik, 1386b). Immanuel Kant bestimmt den Neid als „Hang das Wohl Anderer mit Schmerz wahrzunehmen, obzwar dem seinigen dadurch kein Abbruch geschieht“ (Metaphysik der Sitten, AA VI, 458). Neid kann nur in einem Raum oder Kontext auftreten, den Rousseau als „Vernunftzustand“ dem „Naturzustand“ entgegengesetzt hatte. Während im Naturzustand die Menschen durch eine gesunde Selbstliebe und das Mitleid miteinander harmonieren, so tendieren Sie durch die Vernunft dazu, sich mit anderen zu vergleichen. Räume und Kontexte des Neides sind Konkurrenzsituationen, offensichtliche Werte und Stärken, normative Kontexte wie Schulen und wertorientierte Kontexte wie das Finanzgewerbe. Der Neid scheint eine bestimmte Form der Entwicklung eines Menschen vorauszusetzen, auch wenn er sich bereits im Phänomen des „Futterneides“ bei Tieren findet, wenn sie sich ungleich behandelt fühlen und in der Folge nicht mehr kooperieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob man Tiere um etwas beneiden kann. Hier scheint die notwendige Vergleichsebene zu fehlen, die im Neid vorausgesetzt wird.

Im missgünstigen Neid wird das Gut des anderen als Grund oder Anlass des eigenen Schmerzes verstanden, der aus dem unterlegenen Vergleich resultiert. Eine naheliegende Reaktion auf diesen Schmerz oder die Kränkung besteht dann darin, diesen Grund zu beseitigen. Mehr noch: Die andere Person wird für den eigenen Schmerz verantwortlich gemacht und ist nicht selten überrascht von dieser Argumentation des Neiders. Dies ist freilich ein Fehlschluss, der dem Neider jedoch nicht bewusst ist. Hier stellt sich die Frage, ob Neid nur dann auftritt, wenn eine andere Person einen Vorzug verdientermaßen besitzt, oder auch dann, wenn sie sich diesen ungerechterweise zugeignet hat. Für die Struktur des Neides als Missgunst ist es jedoch wesentlich, das Gut C der Person abzusprechen, insofern es ihr nicht gerechterweise gebührt, sondern, wenn schon, dann einem selbst. Es stellt sich ferner die Frage, ob Neid ein Gefühl oder eine Haltung ist. Ohne Frage ist Neid phänomenal durch eine gewisse emotionale Tönung charakterisiert, die etwa dann beschrieben wird, wenn man davon spricht, dass eine Person „grün“ oder „gelb“ vor Neid ist. Damit ist im Unterschied zur Farbe Rot gemeint, dass Neid nicht energisch nach Außen sich entlädt, sondern sich im Zerknirschen, im Gram oder Selbstmitleid der neidischen Person innerlich manifestiert.

Der Neid kann durch ein Paradox charakterisiert werden, dass darin besteht, dass der Neider als solcher nicht weiß, dass er neidisch ist, und dass er kein Neider mehr ist, sofern er weiß, dass er neidisch ist. Dieses Paradox des Neides kann durch folgende Sätze semantisch und pragmatisch näher bestimmt werden

(1) A beneidet B wegen/um C.

Dieser Satz lässt sich folgendermaßen weiter analysieren:

(2) A ist der Meinung, dass B nicht C verdient (oder nur/auch A C verdient) wegen D.

Bei D handelt es sich um eine Rechtfertigung und Argumentation, die die vermeintlich eigene ungerechte Stellung gegenüber B weiter begründet.

(3) A weiß, dass sie B wegen/um C beneidet.

(4) A sagt zu B: „Ich beneide Dich wegen/um C“

Das Element D scheint für den missgünstigen Neid elementar zu sein. Entscheidend ist, dass die Person A im Falle von D sich nicht bewusst ist, dass sie neidisch ist, sondern glaubt, dass sie zurecht das Fehlen von C beklagt oder aber Bs Besitzen von C in Frage stellt. A will sich durch D nicht eingestehen, dass sie im Grunde B den Wert C gönnen sollte, da er durchaus verdient sein könnte, selbst dann, wenn man ihn auch verdient hätte. A unterliegt also in D einer Art selbstverschuldeten Selbsttäuschung.

Man kann nun fragen, inwiefern der Satz (3) den Satz (2) oder (1) impliziert. Es scheint, dass (3) mit (2) und (1) inkompatibel ist. Denn im Wissen um den eigenen Neid scheint gerade das Element D ausgeschlossen zu werden. Offensichtlich wird dies im Fall von Satz (4), aus dem klar die Falschheit von (2) und (1) zu folgen scheint. Wer einem anderen sagt, dass er ihn wegen etwas beneide, der wird als sympathisch wahrgenommen, weil sein offenkundiger Neid weniger eine verdeckte Missgunst als eine offene Anerkennung darstellt. Wer sagt, dass er neidisch sei, ist dadurch performativ gerade nicht mehr neidisch.

Neuronale Netze

Das Phänomen der künstlichen neuronalen Netze lässt sich besonders aus der Perspektive der Philosophie des Geistes betrachten. Hier stellen sich folgende Fragen: Wie verhalten sich biologische und künstliche (digitale) neuronale Netze zueinander? Welche epistemischen und mentalen Eigenschaften besitzen neuronale Netze (wenn überhaupt)? Inwiefern können neuronale Netze Dinge erkennen und denken? Inwiefern können neuronale Netze gar (Selbst-)Bewusstsein besitzen?

Gemeinhin wird angenommen, dass sich künstliche Intelligenz in der fehlerfreien Durchführung komplizierter Rechenoperationen zeige. Dies ist allerdings ein Irrtum. Denn selbst komplexe Rechnungen basieren auf sehr basalen Operationen, die sich durch Annäherungswerte auf die Grundrechenarten reduzieren lassen. Viel eher hat Intelligenz (und Denken) etwa damit zu tun, Muster zu erkennen. Während es uns sehr leicht fällt, Gesichter zu identifizieren und verschiedene Arten von Tieren auseinanderzuhalten, bereitet dies künstlicher Intelligenz große Probleme. Der Grund dafür liegt darin, dass hier eine viel komplexere Informationsverarbeitung erforderlich ist: Wichtiges muss von unwichtigem unterschieden werden; derselbe Gegenstand kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden; zwei Gegenstände desselben Typs können sich von ihrer Größe stark unterscheiden, so dass ihre entscheidenden Merkmale nur schwer zu erkennen sind (Rashid 2017, 2).

Künstliche neuronale Netze stellen nur einen Teilbereich der künstlichen Intelligenz dar. Sie werden eingesetzt bei der automatische Muster- und Schrifterkennung (z.B. ABBYY Fine Reader) und bei der Spracherkennung (z.B. Google Home oder Amazon Alexa). Neuronale Netze sind komplexe Systeme der Daten- und Informationsverarbeitung. Sie helfen uns, die Überfülle an Informationen zu ordnen und systematisch auszuwerten. Erst dadurch wird Information für uns wirklich brauchbar und ‚sinnvoll‘. Dabei orientieren sie sich an biologischen Systemen der „ersten Natur“ wie unser Gehirn mit seinen Nervenzellen. Ein menschliches Gehirn besteht aus ca. 100.000.000.000 Neuronen, ein Bienengehirn aus 950.000 Neuronen, das einer Fruchtfliege aus 100.000 Neuronen und das Nervensystem eines Fadenwurms aus 302 Neuronen (Rashid 2017, 31). Die entscheidende Wirkungsweise von Neuronen liegt darin, dass sie nicht jedes Eingangssignal weiterleiten, sondern erst dann aktiv werden, wenn ein bestimmter Schwellwert überschritten wird. Dadurch kann eine Überflutung von Reizen oder Informationen vermieden werden. Neurone selektieren bzw. filtern also Daten. Die spezifische Verfassung dieses Schwellenwerts kann durch eine Funktion mathematisch modelliert werden, die man auch Aktivierungsfunktion nennt.

Quelle: Wikipedia

Ein neuronales Netzwerk arbeitet so, dass es trainiert und eingelernt wird. Dies geschieht auf Basis von großen Daten- bzw. Informationsmengen wie Textkorpora. Das Übersetzungsprogramm „DeepL“ etwa basiert auf über einer Milliarde deutsch-englischer Übersetzungen. Ein neuronales Netzwerk wird so trainiert, dass ein bestimmter Sollwert der Ausgabe definiert wird, der durch komplexe Verknüpfungen von Funktionen, die auf die Eingabedaten angewendet werden, erzielt werden soll. Hierzu sind notwendigerweise immer weitere Anpassungen notwendig, die die Aktivierungsfunktionen und auch die Gewichtungen der Eingabeparameter betreffen. Somit kann erreicht werden, dass bestimmte Informationen von vornherein als irrelevant ausgesiebt werden (wie etwa ein Datenrauschen). Es kristallisieren sich dann im Laufe der Zeit komplexe Mustererkennungsverfahren heraus, die immer zuverlässiger die Eingabedaten klassifizieren können. Im Idealfall ist ein neuronales Netz selbstbezüglich, so dass der Ausgabewert automatisch wieder zum Eingabewert genommen wird. Man nennt solche neuronalen Netze auch „rekurrente“ oder „rückgekoppelte“ Netze. Nach mehreren Durchläufen auf Basis großer Informationsmengen kann ein Lerneffekt des Netzwerks erzielt werden, der in der adäquaten Anpassung der Gewichtungen liegt. Hierin kann eine Art von „Wissen“ erblickt werden, welches durch ein Versuch-und-Irrtums-Verfahren erlangt wurde und wie es Lebewesen in der Regel tun.

Doch können wir wirklich davon reden, dass neuronale Netze etwas „erkennen“, etwas „wissen“ oder gar etwas „denken“? Können wir überhaupt neuronale Netze als Subjekte von mentalen Akten auffassen? Allgemein lässt sich Intelligenz als Problemlösungskompetenz verstehen. Haben aber künstliche neuronale Netze überhaupt ein Problembewusstsein? Es scheint so, dass ihnen die Probleme von außen (durch Menschen) vorgegeben sind. Erst dann, wenn ein neuronales Netz sich eigenständig Problemen annimmt und diese zu lösen versucht, können wir im strengen Sinne von Intelligenz sprechen. Dazu wiederum scheint es notwendig zu sein, dass das neuronale Netz die Struktur des Lebens aufweist: Ein Grundinteresse an seiner Existenz, die permanent gefährdet ist und der seine Existenz zu einem Problem werden kann, auf das reagiert werden muss.

Newton

Issac Newton (1642-1726) war ein englischer Naturwissenschaftler, Mathematiker und Philosoph. Er verfasste die „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ („Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie“, in denen es ihm gelang, physikalische Phänomene wie Graviation und Mechanik mit der Sprache der Mathematik exakt zu beschreiben bzw. modellieren. Nach Newton existiert in der Welt eine absolute Zeit, die gleichmäßig verrinnt, ebenso wie ein absoluter Raum. Diese Annahmen sollten infolge der von Albert Einstein entwickelten  Relativitätstheorie später modifiziert werden, insofern nun auch relativistische Zeiteffekte und Raumkrümmungen Teil der naturwissenschaftlichen Realität wurden.