Reflexionen zum Wahrheitsbegriff

Wie der Begriff „Sein“, so ist auch der Begriff „Wahrheit“ sehr problematisch. Wird etwas „wahr“ genannt, so scheint dies in einem ganz anderen Sinne zu geschehen, als wenn etwas „grün“ oder „schön“ genannt wird. Das Prädikat „wahr“ fügt wie das Prädikat „seiend“ nichts zur Sache hinzu. Eine wahre und eine falsche Aussage haben dieselbe Struktur, ebenso wie – um ein Beispiel Immanuel Kants zu verwenden – hundert existierende und hundert nur gedachte Taler denselben Betrag haben. Eher bedeutet „seiend“ und „wahr“ den Modus oder die Präsentationsweise der jeweiligen Sache. Man könnte deswegen „wahr“ und „seiend“ als Prädikate zweiter Stufe beschreiben. In der mittelalterlichen Tradition wurden Begriffe wie „Wahrheit“ und „Sein“ deswegen auch als „Transzendentalien“ bezeichnet: Es handelt sich um basale Kategorien, die nicht weiter hintergehbar sind, sondern gewissermaßen die Rahmenbedingung für alles Existierende darstellen.

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